Wo es schmerzt, da greift man hin !!! (13)

Sonntag, 27. Dezember 2009 um 17:50 - futziwolf
WORTE DES MONATS von MONSIGNORE ASTROLABIUS:
Konjunkturpaket III

von Genosse Astrolabius ("Die Eier sind von Spiegel")

Um die Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise abzuschwächen, hat die neue Bundesregierung
in ihrer jüngsten Kabinettssitzung ein weiteres Maßnahmenpaket beschlossen.
Wie Hermann Stolz, Sprecher des Wirtschaftsministeriums mitteilte,
liegt der Fokus des „Wirtschaftswachstumsbeschleunigungsverringerungsbekämpfungsgesetzes“
auf der Ankurbelung des Binnenkonsums, die aber beinahe kostenneutral erreicht
werden soll. Denn angesichts knapper Kassen infolge der jüngsten
Steuersenkungen für Unternehmen und Spitzenverdiener sei, so Stolz, „der
Spielraum für weitere staatliche Wohltaten doch recht begrenzt.“ Um dennoch
nicht untätig der Stagnation der deutschen Wirtschaft zusehen zu müssen, hatte
man bereits vor drei Monaten eine Expertenkommission eingerichtet, der neben
den üblichen Wirtschaftssachverständigen namhafte Psychologen, Theologen und
Marketing-Strategen angehören. Dieses zunächst weitgehend unbeachtet von der
Öffentlichkeit tagende Gremium stellte dem Kabinett nun seine Ergebnisse vor,
die laut Stolz „nahezu unverändert in die Umsetzung gehen.“ Oskar Placebo,
Professor für Werbepsychologie an der Universität Nordhorn und leitendes
Mitglied des Gremiums betont, dass es hierbei keineswegs auf den Umfang der
finanziellen Mittel ankomme: „Unser Ziel war es, auch unter Rückgriff auf das
bekannte Reiz-Reaktionsschema, möglichst wenig kostenintensive, dafür aber
makroökonomisch relevante Konsumstimuli in der Breite zu bewirken“.

Nun muten die genannten Zahlen im Vergleich zu vorherigen Konjunkturpaketen in der Tat
eher bescheiden an: Als Sofortmaßnahme zur Unterstützung der schwächelnden
Autoindustrie wird für geschätzte 10.000 Euro Steuergelder jedem Neuwagen der
Mittel- und Oberklasse ab kommendem Montag eine Tüte Gummibärchen beigelegt.
Den großen Einzelhandelsketten werden Ein-Euro-Jobber zur Verfügung gestellt,
die jeden Einkauf über 50 Euro mit anerkennendem Schulterklopfen belohnen.
Kosten für die öffentlichen Kassen: Gerade einmal 250.000 Euro pro Jahr.
Außerdem wird es sich in Zukunft für besonders fleißige Konsumenten lohnen, die
Quittungen für ihre Erwerbungen aufzubewahren: Wer im kommenden Jahr für mehr
als 100.000 Euro einkauft, erhält das „Konsumkreuz am Band“ aus golden
gefärbtem Plastik, ein Orden, der im Rang dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse
gleichgestellt ist. Hierfür sind im nächsten Haushalt 25.000 Euro vorgesehen.
Fast völlig kostenneutral kommen einige Maßnahmen daher, die in Zusammenarbeit
mit den kirchlichen Verbänden umgesetzt werden: In Gottesdiensten und
Fernsehpredigten wird ebenso wie bei allen öffentlichen Ansprachen von
Kirchenvertretern ab sofort dazu aufgerufen, die Wirtschaft tatkräftig zu
unterstützen.

„Konsumieren um Gott zu gefallen“ sei zwar eine für viele
Gläubige „etwas ungewöhnliche Parole“, räumt der Caritas-Bundesvorsitzende
Gottlieb Halo ein. Aber schließlich seien auch die Kirchen im 21. Jahrhundert
angekommen. Deshalb werden in zahlreichen evangelischen und katholischen
Kirchen kleine Shopping-Gelegenheiten eröffnet, in denen Gegenstände für den
täglichen Bedarf zu erstehen sein werden. Ähnlich wie Tankstellen sind diese
selbstverständlich vom Sonntags-Verkaufsverbot ausgenommen. Neuausgaben der
Bibel erscheinen fortan mit aus öffentlichen Kassen finanzierten ganzseitigen
Werbeanzeigen volkswirtschaftlich wichtiger Unternehmen und „geringfügigen
Modulationen im Wortlaut einzelner Passagen“, wie Halo hinzufügt. Diese
bewegten sich „im Rahmen des etymologisch Vertretbaren“ - so sei das
althebräische Wort für „Geldwechsler“ sinngemäß auch mit „Sozialschmarotzer“ zu
übersetzen. „Die Kirchen zeigen hierbei jedenfalls ein bemerkenswertes Maß an
Flexibilität, das Vorwürfe des Wertekonservatismus in Zukunft ins Leere laufen
lassen wird.“, ist sich Halo sicher.


Trotz des geringen Kostenaufwandes des Gesetzes haben sich die Experten auch Gedanken über die
Gegenfinanzierung gemacht. Der Vorschlag, den Heizkostenzuschuss für
HartzIV-Empfänger ersatzlos zu streichen gilt dabei nach Sondierungen in
Bundestag und Bundesrat als so gut wie angenommen. Auf die Einwände der Opposition,
die der Regierung „soziale Kälte im wörtlichen Sinne“ vorwarf, reagierte der
neue Superminister für Propaganda, Flexibilisierung und Standortsicherung Silo
Nazzarin bei der Vorstellung seines neuen Buches „Warum essen sie dann keinen
Kuchen?“ mit einem seiner bekannten Ratschläge für Betroffene: „Stecken Sie
sich einfach zwei frisch gekochte Eier in die Ärmel!“


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