Wider den kapitalistischen Fundamentalismus: ROTE FLORA Retten !

Donnerstag, 17. März 2011 um 16:28 - futziwolf


Rote Flora raus aus dem Grundbuch!


Für die Enteignung des Privateigentums und die öffentliche Aneignung des Städtischen!

Am 28. März laufen einige Klauseln des Vertrages zwischen Kretschmer und der Stadt aus, die einen Weiterverkauf der Flora bisher blockiert haben. Das ändert zunächst nichts an der konkreten Situation: Die Flora ist weiterhin besetzt und – für Inverstor_innen wie auch für die Stadt unverträglich.
Dennoch sehen wir eine neue Phase der Auseinandersetzung, in der die Dinge mehr als bisher in Bewegung geraten werden. Für uns Anlass genug, einmal mehr den Verhältnissen auf die Füße zu treten:
Wir statten dem Grundbuchamt einen Besuch ab und streichen im Do-it-yourself-Verfahren den Eintrag zur Flora aus dem Register der herrschenden Eigentumsordnung.



Mitten im Vormärz

Kurz nach der Wahl meldete sich der ehemalige Brechmittel-Innensenator
und Hartz IV-Arbeitsminister Scholz von seinem neuen Posten als Erster
Bürgermeister zu Wort. Im Zusammenhang mit der Personalie der
Kultursenatorin rückte er das Thema Flora in den Raum des scheinbar
Unpolitisch-Kulturellen und der privaten Meinung: „Nichts anderes als
eine Kultureinrichtung“ könne man da machen, wo die Flora jetzt ist, und
wenn es nach ihm ginge, würde sich am „jetzigen Zustand im Großen und
Ganzen nichts ändern“.
Wir begrüßen es, dass die Kampagne für den Erhalt der Flora bereits
jetzt so viel Gegenwind erzeugt, dass der Slogan der von ‚Not in our
name‘ im Dezember 2010 organisierten Flora-Bleibt-Festspielwoche („Ich
würd’s so lassen!“) nahezu eins zu eins übernommen wird. Die
Solidaritätsbekundungen und vielfältigen politischen Aktivitäten haben
zu einer Situation geführt, in der es anders als noch vor einem Jahr
nicht mehr funktioniert, die Flora öffentlich als ein „Ufo im Stadtteil“
zu denunzieren. Außerdem scheint in den Etagen des Establishments die
Ahnung angekommen zu sein, dass der Widerstand im Falle eines
tatsächlichen Räumungsversuchs schnell zu einem Flächenbrand werden
kann. Zugleich kotzt es uns an, wie Scholz in seinen Äußerungen zur
Flora Handlungsfähigkeit suggeriert und Publikumsverarschung betreibt.

Die Schuldigkeiten des Herrn Scholz

Die Kein-Problem-ich-hätte-gern-Aussage des Herrn Scholz ist keine
Bestandsgarantie für die Flora! Sie soll in erster Linie dazu dienen,
einen öffentlichen Konflikt stillzustellen, der noch lange nicht
ausgestanden ist. So ist die zur Schau getragene Alternativlosigkeit
einer „Kultureinrichtung“ in der kapitalistischen Realität weder
haltbar, noch ein Plädoyer für die Rote Flora. Erstens ist die
Festschreibung einer Flächennutzung, auf die er sich hier bezieht, kein
Naturgesetz – sie unterliegt politischen Entscheidungen und ist somit
veränderbar. Zweitens ist auch das 1989 durch die Besetzung der Flora am
Schulterblatt verhinderte Musical „Phantom der Oper“ unter den
Vorzeichen von Kultur angetreten – vieles ist also möglich innerhalb
dessen, was Scholz „im Großen und Ganzen“ nicht verändern will.
Darüber hinaus besteht für uns kein Zweifel, dass Scholz im Falle eines
beantragten Räumungstitels tausende von Schergen herankarren wird, um
‚Amtshilfe‘ bei der Vollstreckung zu leisten. Da mag der Privatmann
hilflos mit den Schultern zucken und eine andere Meinung vorspiegeln,
der Staatsmann wird seine Pflicht tun…

Das Private ist Politisch!

Eine solche Haltung ist insbesondere deswegen eine Farce, weil es gerade
ein SPD-geführter Senat gewesen ist, der 2001 die Flora an Kretschmer
verkaufte und dadurch dem öffentlichen Zugriff entzog. Dem allgemeinen
Trend folgend hat auch hier eine Privatisierung stattgefunden, die
überhaupt erst die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, die Flora jetzt
zur Verhandlungsmasse privat-ökonomischer Interessen zu machen.
Wir sind nicht bereit, der Politik zuzugestehen, dass sie sich durch ein
solches Scheingefecht der Verantwortlichkeit und damit der politischen
Kritik entzieht! Würde Scholz einen wirklich substanziellen Beitrag zur
Gesamtsituation leisten wollen, müssten die weitergehende Privatisierung
des Städtischen und Öffentlichen gestoppt und der bisherige Ausverkauf
rückgängig gemacht werden, z.B. bei den Krankenhäusern, den E-Werken, im
Wohnungsbau oder im Nahverkehr. Statt hohler Phrasen wäre die Umsetzung
der politischen Initiative zur Entkriminalisierung von
Aneignungsaktionen und Hausbesetzungen, welche diese Stadt gegenwärtig
bewegt, auf den Weg zu bringen und eine langfristige Perspektive zu
eröffnen.

Grund ohne Boden: 
Das Buch der Bücher und sein Ende

Doch Scholle ist nicht der Fisch in der Pfanne, sondern allenfalls die
Margarine! Die Zurückdrängung von kapitalistischer Privatisierung und
die Entkriminalisierung von Aneignungsaktionen ist eine Frage der
politischen und sozialen Praxis, also einer Politik des
Gesellschaftlichen, die ihren Ort jenseits von Staat und Privateigentum
hat. Wenn wir also das Grundbuchamt aufzusuchen und den Eintrag zur
Flora löschen, dann geht es darum, die Dinge selbst in die Hand zu
nehmen, um Politiker_innen und Investor_innen die Flausen aus dem Kopf
zu vertreiben, es gäbe für sie an der Flora etwas zu entscheiden,
geschweige denn zu besitzen oder zu verdienen.
Das Grundbuch ist das bürokratische Format, mittels dessen dem
gesellschaftlichen Verhältnis des Privateigentums Legitimität und der
Anschein ewigwährender Normalität verliehen wird. Ein Verhältnis, das
ungerechte Verteilung bedeutet und vielfach die Grundlage von
ökonomischer Ausbeutung ist. Doch Widerstand ist nicht zwecklos und
Verhältnisse sind veränderbar. Der Austrag aus dem Grundbuch ist für uns
ein symbolischer Schritt. Es geht darum, sich von der Versachlichung
der Herrschaft durch Bürokratie und Gesetz frei zu machen und den
politischen Apparatschiks den Laufpass zu geben. Denn das Ganze
funktioniert nur so lange, wie wir alle den Dreck fressen und
mitspielen. Wir wollen damit zur Nachahmung anregen, Gewissheiten
destabilisieren und den Blick frei machen für eine ganz andere Welt –
die möglich ist.
Aneignung als Enteignung und 
Vergemeinschaftung
Nach Erledigung dieser Formalität führt uns der Weg wieder zurück in
unsere Alltagswelten jenseits von Behördengängen und Antragsformularen.
Dorthin also, wo uns die Manifestationen des Privateigentums und des
bürgerlichen Konkurrenzkapitalismus in konkreter Gestalt begegnen und wo
wir uns die Dinge tatsächlich nehmen können, die wir für ein Leben nach
unseren Bedürfnissen brauchen. Noch nie in der Geschichte hat sich
Ungerechtigkeit von selbst in Luft aufgelöst. Emazipatorische
Veränderung ist nur im Handgemenge und durch die Austragung von
Konflikten zu haben, die auch vor den eigenen Sprechorten und
Gewissheiten nicht halt macht, diese kritisch hinterfragt und in einen
solidarischen Rahmen stellt. Insofern geht es nicht um eine Überführung
der gesellschaftlichen Ressourcen und Räume von einem privaten Gebrauch
in einen anderen. Aneignung bedeutet für uns Enteignung und
Vergemeinschaftung als ein Prozess selbstbestimmter Kollektivierung, der
solange nicht abgeschlossen ist, wie er nicht die Teilhabe aller am
gesellschaftlichen Leben ermöglicht!

Das Städtische als Kampagnenraum

Der Kampf für die Flora als besetztes und unverträgliches Projekt findet
mit dieser Perspektive statt. Nicht allein ihre Bewahrung als Nische im
bestehenden Herrschaftsgefüge steht auf dem Programm, sondern die
gesellschaftlichen Fragen, die hinter und durch ihre Fassade verlaufen.
Es geht um soziale und politische Aneigungspraxen, die die
hierarchischen Ausschluss- und Besitzstandslogiken des Privateigentums
und das Verwertungsmodell der kreativ-wachsenden Stadt durchkreuzen und
neue Formen städtischer Öffentlichkeit hervorbringen.

Auch die Flora und die Kampagne zur ihrem unverträglichen Erhalt selbst
sind nicht etwas, das von irgendjemand besessen wird, sondern immer nur
das, was alle aus ihnen machen. Alle sind aufgefordert, sich die
Kampagne „Flora bleibt unverträglich!“ selbstbestimmt anzueignen und mit
eigenen Inhalten und Aktionen zu füllen.

Kommt am 28. März um 14 Uhr zum Grundbuchamt, Caffamacherreihe 20!
Bringt Transparente, Konfetti, Aktenvernichter und alles Weitere mit, 
was es für ein würdiges Happening zum amtlichen Austrag der Flora braucht!
Flora bleibt unverträglich!
Leerstand besetzen!
Reclaim the City!

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