"Wo es schmerzt, da greift man hin" (33)

Mittwoch, 18. April 2012 um 18:30 - futziwolf
Ein paar Zeilen zu klein Kristina, unserer emanzipierten Familienministerin:
von woody
„Kommt ne Blondine zu ner Buchpräsentation...“, Moment, geht noch weiter, „und sacht: Emanzipiert sind wa selber!“ Prust...
So viel Fips Assmussen muss als Notwehr erlaubt sein, angesichts des immer gröber werdenden Unfugs, den SpitzenpolitikerInnen in diesem Land inzwischen – möglicherweise in Anlehnung an Diekmanns Hetzblatt – als Meinung behandelt und respektiert wissen wollen.
Aber worum geht es der Frau Schröder denn tatsächlich? Doch nicht um die von ihr postulierte Entscheidungsfreiheit jener Menschen, die in mit Kindern gesegneten Beziehungen leben. Dazu weist das Betreuungsgeld dann doch zu deutlich den Weg in die von der Familienministerin gewünschte Zukunft der emanzipierten deutschen Frau, die sich künftig aus freien Stücken (und christlich-reaktionärer Gesinnung) für ein artgerechtes Dasein als Putzfee, Köchin und Muttertier entscheiden dürfen soll. Oder so ähnlich. Wobei allerdings festgehalten werden muss, dass lausige 150 Euro ganz sicher kein Ersatz für irgendeine bezahlte Tätigkeit sind. Noch nichtmal für einen der in Hülle und Fülle neu geschaffenen Niedriglohnjobs. Und dass man denen da ganz unten (HARTZ IV-Empfänger und Migranten) die Kohle möglicherweise gar nicht erst bar geben will, hat natürlich nichts mit Stigmatisierung und Diskriminierung, sondern ausschließlich mit der väterlichen und mütterlichen Weitsicht unserer VolksvertreterInnen zu tun...

Wesentlich zweckdienlicher, sofern der Zweck die Entscheidungsfreiheit der Eltern ist, dürfte es wohl sein endlich dafür zu sorgen, dass Frauen und Männer in dieser Republik erstens gleich und zweitens so viel verdienen, dass es für Paare nicht den sozialen Abstieg bedeutet, wenn einer zu Hause bleibt oder beide ihre Arbeitszeit reduzieren. Und spätestens nach den ersten drei Lebensjahren des Kindes sollte dann ohnehin die (noch immer nicht beschlossene) Kindergartenpflicht einsetzen, denn was in der deutschen Klein- oder Großfamilie mit oder ohne Migrationshintergrund so alles versaut wird, das muss mensch sich gar nicht im Verblödungsfernsehen der Privaten ansehen, das lässt sich auch jeden Tag auf der Straße bestaunen.

Aber ich glaube im Kern geht es der Frau Schröder sowieso um viel mehr als nur um dieses stockkonservative, sich peinlich liberal gebende Familien-Gesülze. Im Kern geht es um einen alten, verschlagenen, ungeheuer gefährlichen und immer auf der Lauer liegenden Feind, dessen hässliche Fratze zu Beginn der 90-er Jahre bloß scheinbar zu Staub zerfallen ist und der die kleine Kristina nun Nacht für Nacht auf's Neue heimsucht, so wie Freddie Krüger, aber offensichtlich weniger tödlich. Ihr ahnt es bereits: Es geht um den Kommunismus. Der tritt, wie es nun einmal das Wesen des Teufels ist, in vielerlei Gestalt auf, z. B. in der des Antifaschisten, des Punks, des linken Sozialdemokraten, des Anarchisten oder des Globalisierungskritikers, und muss erbarmlungslos bekämpft werden, weil er sonst die Weltherrschaft antritt. Oder zumindest Deutschland kaputt macht.

Zu diesem Zweck hat die Frau Schröder vor einiger Zeit zusammen mit dem selbsternannten Extremismusexperten Eckhard Jesse (in meinen Augen ganz sicher ein Extremist, aber deswegen noch kein Experte) eine Broschüre zum Thema Linksradikalismus heraus gegeben und zur Behandlung an Schulen empfohlen. Das war kurz bevor zu unser aller Überraschung herausgekommen ist, dass es in unserem duften Lande Rechtsterrorismus gibt (Die über 140 Toten davor, die waren ja überwiegend noch Opfer von Nachbarschaftsstreitigkeiten und Ähnlichem...). Aber gut, dass zumindest zwei paranoide Vaterlands- und Mutterschaftsschützer ein Auge auf diese linken Mordbrenner, Messerstecher und Totprügler haben, die sich üblicherweise gegen Faschismus engagieren, bunte Haare haben oder Armut und Ausbeutung Scheiße finden. Oder eben, und hier kommen wir zurück zum Ausgangspunkt, die Deutschen umerziehen und die Familie zerstören wollen.

Ersteres hat Kristina Schröder allen Ernstes nicht näher bezeichneten linken Kreisen unterstellt (eigentlich unnötig noch darauf hin zu weisen, dass „Linke“ in der kleinen bedrohten Welt der winzigen Kristina ein Synonym für „Kommunisten“ ist, welche wiederum gleichzusetzen sind mit „Stalinisten“ oder auch „Terroristen“, klar). So sind wir also bei dem, was Ultrareaktionäre wie die Frau Schröder tatsächlich umtreibt: Fast alles was seit den 70-er Jahren an Gleichheit erstritten wurde, muss, auch wenn frau selbst davon profitiert hat, bekämpft und am Besten rückgängig gemacht werden, denn die Gleichheit, die ist im Grunde schon der Kommunismus und der Kommunismus, der ist zweifelsohne das Ende. Wie schreibt es sich dieser souverän unsympathische FDP-Clown auf seine Wahlplakate? „Das Gymnasium darf nicht sterben!“ Ja, Gleichheit muss für diese Menschen tatsächlich das Allerschlimmste, sozusagen die Hölle an sich sein. Der Untergang ihrer kleinbürgerlichen Welt. Deren Werte aber, und das wäre mein letzter Punkt, werden längst von anderer Seite und ganz nebenbei über Bord geworfen.

Eine Tatsache, die der Kommunistenjägerin Schröder aufgrund des Bretterhaufens vor ihrem Kopf offenbar vollkommen entgeht. Während das Bildungsbürgertum seit geraumer Zeit als aussterbende Spezies zu betrachten ist, erleben wir auf der anderen Seite zwar durchaus eine auch Dozenten, Lehrer, Zahnärzte und Künstler erfassende Verkleinbürgerlichung der gesamten Gesellschaft. Doch beschränkt sich das Bürgerliche hierbei auf den Aspekt der egoistischen Besitzstandswahrung bzw. -vermehrung. Ein über den weihnachtlichen Konsumrausch (Schrotterwerb als patriotische Tat) hinaus gehender Familienzusammenhalt hingegen, steht den Mechanismen und Erfordernissen der Marktwirtschaft wohl eher im Wege. Wie für die Solidarität, mit der man ihn nicht unbedingt verwechseln sollte, ist für ihn in einem System des totalen Egoismus kaum noch Platz. Das bedeutet: Dieses von der kleinen Kristina so tapfer verteidigte Wirtschaftssystem erledigt spätestens mittelfristig auch die Reste ihrer kleinen Welt. Lustig, oder?



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