Buchtip :: Rasende Ruinen

Samstag, 21. Juli 2012 um 23:29 - futziwolf
Interview mit Katja Kullmann über Armut und Gentrifizierung im neoliberalisierten Detroit
>>> Wie vielleicht keine andere Stadt steht Detroit für den Aufstieg und Fall der Vereinigten Staaten: Um 1900 Geburtstätte der automatisierten Massenproduktion von Autos in der Ära des Fordismus, in den 60er Jahren nicht nur Heimat des legendären Motown-Labels und ungezählter anderer Soul-Künstler, sondern auch von Iggy Pop, dann Zentrum der sogenannten Rassenunruhen, die das ganze Land erschütterten und seit den Siebziger Jahren Hort der De-Industrialisierung, neoliberale Spielwiese und Opfer mehrerer Privatisierungsexzesse. Die Stadt hat eine signifikante Armuts- und Kriminalitätsrate und trotzdem geben die Leute dort nicht auf. Mitunter scheint sogar etwas auf, was einst nicht nur Philosophen Utopie zu nennen pflegten. Ein Gespräch mit der Schriftstellerin und Journalistin Katja Kullmann, die ein Buch über die Stadt geschrieben hat.
... Findet in Detroit ein sozialer Prozess statt, der in etwa mit der "Gentrifikation" zu vergleichen ist?
Detroit leidet seit Jahrzehnten unter dem gegenteiligen Problem: einer massiven De-Gentrifizierung. Jeder, der es sich leisten kann, zieht weg. Daher freuen sich alle, wenn irgendwo in der Stadt wenigstens mal ein Starbucks-Laden aufmacht. Selbst diejenigen, die sich niemals einen Kaffee dort leisten könnten, weil der ungefähr so viel kostet wie ein XXL-Familien-Spar-Menü bei McDonald’s, finden das gut. Die Hoffnung, die dahinter steht: Je mehr wohlhabende Menschen sich ansiedeln, desto mehr Service-, Fahr-, Wach- und Pflegedienste müssen erledigt werden - desto mehr Jobs fallen also wieder an, auch für diejenigen, die nicht zur Elite gehören.
Wenn man sich diese neuen Dienstleistungs-Jobs etwas genauer ansieht, muss man aber feststellen: Es sind sehr oft Tip-Jobs, ganz miese Stundenlöhne zwischen einem und acht Dollar in der Stunde und meist befristet. Fast alle Menschen, die ich in Detroit traf und die aus verarmten Facharbeiter-Familien stammen und darum ringen, ihren Lebensunterhalt weiterhin selbst zu verdienen, haben zwei oder drei solcher üblen Jobs gleichzeitig, in Call Centern, als Putzfrauen, an Imbisstheken. Sie kommen am Tag vielleicht auf umgerechnet 30 oder 40 Euro, mit zehn, zwölf, vierzehn Stunden Arbeit.<<< telepolis

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