Unsere Armut kotzt uns schon lange an

Dienstag, 9. März 2010 um 12:45 - futziwolf
oder: Was sichert das Haushaltssicherungskonzept?
Theater Arbeit Duisburg  |  Theorie und Praxis e.V.  |  Reformclub Harmonie  |  Projektteam Ruhrort 2010


Am 25.01. hat die Verwaltung der Stadt Duisburg ein
Haushaltssicherungskonzept vorgelegt. Zur Diskussion aller Details
wurde aufgefordert, grundsätzliche Zustimmung zu den städtischen
Sparanstrengungen gleichzeitig eingefordert. Nach Darlegung der
Verwaltung sind im kommunalen Haushalt jährlich 150 Mio. Euro
einzusparen. Zu erreichen ist dieses Ziel bis 2014. Dies erfordern die
Duisburger Kassenlage und die Rechtslage: Seit 2008 ist die kommunale
Selbstverwaltung durch die (Landes-)Kommunalaufsicht stark
eingeschränkt, sie wird verschwinden, wenn es jetzt nicht gelingt,
einen die geforderte Konsolidierung absehbar machenden Haushaltsentwurf
zu beschließen. Der zeigt sich als Fünfjahresplan, dessen Maßnahmen
2010 beginnen. Ohne ihn unterliegt die Stadt Duisburg bereits in diesem
Jahr der totalen Kontrolle durch die Kommunalaufsicht. Diese wird dann
die Einspar-Maßnahmen beschließen, die jetzt noch der Rat der Stadt in
Eigenregie ausgestalten darf, kann und muß. Hier stehen wir und können
nicht anders.

Und hier stehen wir. Und können scheinbar auch
nicht anders, als diese Notwendigkeit einzusehen und dann, solange dies
noch geht, Einfluß zu nehmen: die vorgesehenen Kürzungen im Bereich
Kunst und Kultur mit denen in anderen Bereichen gegenzurechnen – nicht
nur abstrakt, sondern konstruktiv: Welches Jugendheim könnte noch
geschlossen, welche Sportstätte aufgegeben, welche Bildungsförderung
für MigrantInnen, welche Fürsorge für ältere Menschen in dieser Stadt
könnte zusätzlich gekürzt oder gestrichen, wessen Temperatur noch
gesenkt werden, damit unser Theater, unser Kino, unser Ausstellungsraum
erhalten bleiben können?

In dieser Logik können wir einiges
aufwarten. Vor allem, wie immer, die Kurzgriffigkeit der vorgelegten
Überlegungen. Ohne erschwingliche Mietpreise für Ateliers und ohne
einen Ausstellungsraum mit Augenmerk auf die lokale KünstlerInnenszene
verschwindet diese ganz; ohne freien Förderetat für die professionellen
TheatermacherInnen vor Ort keine (90%igen) Co-Finanzierungen durch
Land, Bund, EU für deren Projekte, d.h. gar keine mehr, also
Abwanderung; ohne kommunales Kino mit weiter künstlerischem Anspruch
keine internationalen Filmtage mehr in dieser Stadt und Absterben ihres
letzten kreativ angehauchten Viertel-Viertels. Die schneller als das
HSK erlaubt auch im kommunalen Haushalt spürbaren Folgen sind leicht
vorzurechnen. Was ist dagegen ein Rollstuhl wert, eine Sprachförderung
oder eine Schule mit endlich kleiner werdenden Klassen?

Wir verweigern die Antwort. Wir verweigern uns dieser Logik. Die
Stadtverwaltung weiß selbst, wo sie hakt. Alle Sparanstrengungen sollen
das Land gewogen machen, sich an der Begleichung kommunaler Altschulden
zu beteiligen. Ohne diesen "Schuldenfonds" kann das HSK auch in den
Augen seiner Initiatoren seinen Zweck nicht erfüllen. Nachhaltige
Wirkung wird es dennoch zeigen. Wir möchten die Logik einer
"konzertierten Aktion" hinterfragen, die den Haushalt dieser Stadt nur
scheinbar ausgleicht, ganz real aber auf ihre Abschaffung hinausläuft,
sofern Stadt mehr ist als Einkaufsstätten umringende Wohnplätze. Von
Metropole zu schweigen.
Oder auch nicht, denn wir wollen reden und
das HSK und alles ums HSK herum und alles mit ihm Zusammenhängende laut
bedenken. "Die Politik" tut dies ja auch, in allen ihren Ausschüssen
und dann am 22. März im Rat der Stadt. So oder anders auch wir.

Theater Arbeit Duisburg – TAD,
zum Beispiel, war schon unter den vormals herrschenden Bedingungen in
dieser Stadt kaum lebensfähig. Nun droht nicht sein Ende, aber der
Abschied von Duisburg. Wir machen in Düsseldorf weiter oder in Dresden
oder Detroit. Oder auch nicht, noch nicht, nicht einfach so. Sollen wir
nun einen Schauspieler vorm Rathaus deklamieren und zappeln lassen? Und
hoffen, daß er besser rüberkommt, ein wirksamerer Lobbyist ist, als der
deutschsprachgehemmte Miigrant und die Gehbehinderte neben ihm?

Nein, das tun wir nicht. Wir laden statt dessen ein: uns selbst und unsere Partner
Theorie und Praxis e.V. und Harmonie-Reformclub.
Und Sie alle, verehrte EntscheidungsträgerInnen in Duisburg, und Euch
alle, liebe auch (noch) hier wesende KünstlerInnen, und auch Euch,
liebe HSK-KonkurrentInnen der Bereiche Soziales, Bildung, Sport und was
noch weniges diese Stadt sich jetzt noch "freiwillig" leistet.
Zu uns, nach Duisburg-Ruhrort, am 10. März 2010, abends bis nachts, ins Lokal Harmonie.

siehe auch: http://www.soziokultur-nrw.de/


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