CONTAINERING: Essen aus Mülleimern wird weiter kriminalisiert

Mittwoch, 1. Dezember 2010 um 19:26 - futziwolf
Containern gehört schon seit einiger Zeit zum Bild der HARTZ4-Republik. Ob aus finanzieller Bedrängnis oder aus Überzeugung (z.B. die Überproduktion von Lebensmitteln nicht fördern zu wollen), die abgelaufenen Lebensmittel von Supermärkten, Discountern und auch kleinen Bäckereien werden von verschiedenen Gruppen aus den Müllcontainern für den eigenen Lebensunterhalt entnommen und sichern so einen Teil des Lebensunterhalts ohne jemanden zu schädigen.
Ob die Entnahme von Lebensmitteln aus der Mülltonne Diebstahl ist oder nicht, darüber streiten sich die Geister, bzw die Richter. Wenn der betreffende Angeklagte allerdings gleichzeitig ein politischer Aktivist ist, scheint dem Staatsanwaltschaft ein Prozess um vieles wichtiger zu sein als wie im Falle von einigen anderen ähnlich gelagerten Anklagen, die wegen mangelndem öffentlichen Interesse eingestellt wurden.
Am heutigen Mittwoch begann ein Prozess gegen Karsten Hilsen vor dem Lüneburger Amtsgericht. Dem Aktivisten wird vorgeworfen Kekse aus der Mülltonne gestohlen zu haben. Vor Beginn des Prozesses und in der Verhandlung zeigten UnterstützerInnen des Angeklagten ihren Unmut gegen die Wegwerf-Gesellschaft und diesen absurden Prozess. Die Sitzung dauerte nur etwa eine Stunde und wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Im Anschluss an der Verhandlung wurde Karsten Hilsen im Gerichtssaal festgenommen. Weil er ein Bußgeld wegen eines Verkehrsdeliktes nicht zahlen konnte, wurde er in Erzwingungshaft genommen - was im Falle von Zahlungsunfähigkeit unzuläßig ist.

Der Vorwurf Karsten Hilsen hätte weggeworfene Kekse gestohlen stammt aus dem Sommer 2010. Danach war das Verfahren sowohl gegen Herrn Hilsen, wie auch gegen eine weitere Person, gegen die die Staatsanwaltschaft den identischen Vorwurf erhoben hatte, wegen mangelndem öffentlichen Interesse eingestellt worden. Nach einer erneuten Prüfung wurde das Verfahren gegen den bekannten Anti-Atom-Aktivisten Karsten Hilsen jedoch wieder aufgenommen, während gegenüber der anderen Person lediglich die Rechtsgrundlage der Einstellung geändert wurde. Die Anklage lautet auf Hausfriedensbruch, weil die Mülltonne sich auf dem Betriebsgelände der Konditorei Scholze befand.

Solidarische UnterstützerInnen verteilten am Dienstag Flyer und containerten - also aus Mülltonnen geholten - Kuchen am Lüneburger Weihnachtsmarkt. Die Passanten lasen erstaunt laut vor: "Kekse! Kekse!"
Hanna Poddig, eine der UnterstützerInnen berichtet: "Viele wollten nicht glauben, dass Menschen aus solchen Gründen angeklagt werden und hielten unsere Flyer für sogenannte Fakes. Also für eine Fälschung."

Im heutigen Prozess beantragte der Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlung einen juristischen Bestand. Die Verteidigung sollte nicht wie üblich durch einen Anwalt gewährt werden, sondern durch die gerichtserfahrene Lüneburger Polit-Aktivistin Cécile Lecomte. Dem Antrag wurde stattgegeben. Zur inhaltlichen Verhandlung kam es an diesem Tag nicht. Nachdem ein Teil des Publikums wegen kritischer Äußerungen ausgeschlossen worden war, wurde die Sitzung nach ca. einer Stunde beendet und vertagt, da die zuständige Richterin zunächst über einen Antrag der Verteidigung auf Akteneinsicht entscheiden muss.

Noch im Gerichtsaal wurde der vermeindliche "Dieb" durch einen zuvor als Zeuge erschienenen Polizisten in Erzwingungshaft genommen. Cécile Lecomte erklärte nach der Verhandlung: "Karsten soll ein Bußgeld wegen eines banalen Verkehrsdeliktes zahlen, obwohl er längst seine Verhältnisse offengelegt und seine Zahlungsunfähigkeit dargetan hat. Dem Gesetz nach darf Erzwingungshaft jedoch nur dann vollzogen werden, wenn der Betroffnene zahlungsfähig ist. Im Weltbild von Richtern, die selbst zu den wohlhabenden Menschen gehören, ist ein Mensch, der sich u.a. aus Geldnot von weggeworfenen Lebensmittel ernährt, zahlungsfähig. Das ist doch ein Skandal!"

Karstens UnterstützerInnen wollen das Vorgehen der Staatsgewalt nicht ohne weiteres hinnehmen. Am Nachmittag informierten sie PasantInnen über das Geschehen, eine Passantin spendete die ersten zehn Euro um Kasten "frei zu kaufen". Über weitere Spenden und Solidaritätsgesten freut sich die Gruppe.

Kontakt für Rückfragen: Cécile Lecomte 0163 7342462
oder:  eichhoernchen@ouvaton.org

Spendenkonto:

Inhaber: H.Thoroe
BLZ: 217 500 00
Kto: 111 026 274
Betreff: Kekse

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