MARTYRDÖD - Sekt - LP

Freitag, 7. Januar 2011 um 20:10 - monsignore genickschuss


MARTYRDÖD - "Sekt
" - LP
LP  - (Farewell/ La Familia) - VÖ: 20.05.2009

LABEL:
Farewell Records // La Familia
vertrieb: Punkdistro



[review:]
Ich will nicht behaupten, dass ich dieses Cover-Artwork verstehe, aber zumindest weckt es eine ganze Reihe von Assoziationen. Zunächst dachte ich an die kalten, dunklen Wände einer sehr altmodischen Heilanstalt und einen Insassen, der verzweifelt versucht, die Bilder, die ihn so quälen, in sie hinein zu ritzen. Munch fiel mir ein, der mal sagte: „Krankheit, Wahnsinn und Tod hielten wie schwarze Engel Wacht an meiner Wiege.“ In jedem Fall erinnern diese so krakeligen wie düsteren Zeichnungen an jene, die sich zum Teil auf den Covern und Textblättern von RUDIMERNTARI PENI und FLUX OF PINK INDIANS finden. Nicht zu übersehen ist außerdem das Dreieck, welches auf der bedruckten Innenhülle noch einmal auftaucht und wohl symbolhaft eine Pyramide darstellen soll.. In Ägypten bedeutete selbige für die jeweiligen Herrscher nicht nur eine angemessene Grabstätte, sondern auch den Weg zur Unsterblichkeit. Das Siegel der USA zeigt sie ohne Spitze, was möglicherweise auf die Unzulänglichkeit allen menschlichen Strebens aufmerksam machen soll, und darüber steht in der Luft und in einem Dreieck das Allsehende Auge, Gott, wenn man so will. Felicia von Zweigbergk, für die Gestaltung von Cover und Innenhülle dieser Platte verantwortlich, hat über das Dreieck aber ein weinendes Gesicht gesetzt und diesem ein drittes Auge in der Stirn gegeben. Damit wären wir dann endgültig im Bereich der Esoterik und könnten uns mit Dingen wie dem „Stirn-Chakra“ beschäftigen und tatsächlich finden sich hier auch noch mehr religiöse Anspielungen, deren weitere Deutung ich aber dem geneigten Hörer dieser Scheibe überlassen will.

Musikalisch geht es auf „Sekt“, der inzwischen dritten LP von MARTYRDÖD, dann um Einiges härter zu als bei den gerade genannten britischen Anarcho-Kombos. Schweden-Crust a la WOLFBRIGADE, Black-Metal, D(ISCHARGE)-Beat und ein Sänger, der schreit als hätte er soeben die Fassung verloren und würde sie auch garantiert nie wieder finden. Für das was ein Schlagzeug, ein Bass, ein Keyboard und zwei Gitarren hier veranstalten gibt es viele abgegriffene Metaphern, von der „Dampfwalze“ über das „Gewitter“ bis hin zur „Wand“. An dieser Stelle will ich noch einen Schritt weitergehen und sagen: In ihren besten Momenten klingt diese Platte als würde der Himmel einstürzen und alles was da kreucht und fleucht endlich erschlagen. Und genau diese Endzeitstimmung durchzieht dann auch die schwedischen Texte, deren englische Übersetzungen dankenswerterweise ebenfalls abgedruckt wurden. „It´s better not to be born“ heißt es in dem Song „Nad“ und sollte ein Gott existieren, so bleibt ihm nichts als über den Zustand seiner Schöpfung zu klagen, Gnade gibt es nicht. (Dazu würde das traurige Gesicht mit dem dritten Auge eigentlich ganz gut passen.) Auch als es zwei Stücke später zum ersten mal einigermaßen politisch wird, entdecke ich im Text keine Spur von Optimismus. „6 Grader Celsius till Helvetet“ ist ein bitterer Kommentar zu den Versäumnissen der so genannten Klimapolitik, nicht mehr und nicht weniger.

Lediglich „Kärleksmassen“, dass sich entschieden gegen religiöse Fanatiker und ihre homophobe Propaganda wendet, fällt etwas aus dem Rahmen. „We won´t turn the other cheek again“ brüllt Mikael am Ende des Liedes und die angehängte, ausführliche Erklärung zum Song schließt mit den Worten: „Keep fighting for free LGBT love!“ Mag diese Band auch aus Pessimisten bestehen, offenbar genügt es ihr dennoch nicht die lebensfeindlichen Verhältnisse nur zu beschreiben. Der darauf folgende Song „Död at Vek Punk“ scheint zu dem voran gegangenen dann jedoch in einem seltsamen Widerspruch zu stehen. Der Refrain („Death to weak punk – a welfare product“) und die Forderung die Verräter und verlorenen Dummköpfe schmutzigen Stahl schmecken zu lassen, der Wunsch nach einer Reinigung der Szene, das alles lässt auf unangenehme Weise an Sozialdarwinisten wie SLAPSHOT denken und auch wenn man in Rechnung stellt, dass die Leute von MATYRDÖD seit vielen Jahren in der tendenziell linken/ anarchistischen Crust-Szene tätig sind, wäre eine Erklärung der Band hier durchaus angebracht gewesen. Auf welche Gruppe von Menschen zielt der Song eigentlich genau? Macht man sich hier vielleicht ein kleines Späßchen um mal zu sehen wie die Hörerschaft reagiert? Nun, wer immer sich MARTYRDÖD demnächst live anschaut, kann sie ja mal danach fragen. Unter dem berühmten Strich bleibt „Sekt“ so eine überhaus hörenswerte, verdammt harte und wirklich überhaupt nicht fröhliche Platte, die sich hervorragend für graue Novembertage eignet (es sei denn man ist selbstmordgefährdet), der allerdings ein kleines Fragezeichen anhaftet.      - atakeks



Presse:
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mukke/video:


YouTube-Direktlink


artist website:
http://www.myspace.com/martyrdod

konzerte:
Frostpunk in Mülheim an der Ruhr - 25/26.02.2011


discographie:

labelinfo:
2 Jahre nach dem genialen "In Extremis" Album auf Havoc Records geben Göteburgs Martyrdöd mit "Sekt" endlich ein neues Lebenszeichen ab. 12 neue Sonx, komplett in Schwedisch vorgetragen, bolzen die Schweden durchs Gebälk und zerfetzen dabei definitiv so manches Trommelfell. Totales Gebolze. Absolut geil, wie diese Band zeigt, dass es keinen Blastbeat benötigt, um richtig extrem zu klingen. Das Gesamtpaket muss stimmen und genau da passt bei Martyrdöd einfach alles. Die Schweden holzen sich nicht nur ohne Rücksicht auf Verluste in rasend schnellem D-Beat durch ihre Lieder, sondern streuen auch eine kleine Prise (Black) Metal ein, was die Musik noch brutaler macht. Wer auf metallischen D-Beat a la Wolfbrigade steht, liegt hier goldrichtig. Die CD hat als Bonus die bereits lange Zeit ausverkaufte s/t LP (Plague Bearer Records) und die ebenfalls ausverkaufte Split EP mit Sunday Morning Einstein (Instigate Records) als Bonus. Insgesamt 24 Sonx!!



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