Massaker als Marketing:

Sonntag, 24. Juli 2011 um 14:49 - futziwolf
Über Massaker, Hemmschwellen und die Gesellschaft der Halluzination +
Das Manifest des Massenmörders
>>> von Patrick Gensing
Das Motiv für den Massenmord in Norwegen ist klarer geworden: Der rechtsradikale Norweger B. wollte Aufmerksamkeit für sein “Manifest” schaffen und durch das Massaker weltberühmt werden, um seine kruden Thesen möglichst weit zu verbreiten. Das geht laut norwegischen Medienberichten aus dem Geständnis des 32-Jährigen hervor. B. hatte demnach sein etwa 1500-Seiten-umfassendes “Manifest” eine Stunde vor den seit Jahren geplanten Anschlägen an rechte Politiker in Skandinavien geschickt.
Nun erklärt sich auch, warum B. die Jugendorganisation der Arbeiterpartei angriff und möglichst viele Jugendliche ermordete. B. beklagte nämlich einen vermeintlichen Siegeszug des “kulturellen Marxismus”, der aus der “destruktiven” Frankfurter Schule hervorgegangen sei. Dieser Siegeszug sei Voraussetzung für die “Islamisierung Europas” – so die bekannte Argumentation von B. und anderen “Islam-Kritikern”, die nicht weniger als die Abschaffung Deutschlands (Sarrazin) oder eben Europas (B.) prophezeien. So wird ein Szenario entworfen, in der Selbstverteidigung gegen einen vermeintlichen Massenansturm von islamistischen Horden als legitim erscheint. >>> tagesschau.blog
Nicht umsonst finden sich in B.s Kommentaren auf einer rechtsradikalen Internet-Seite ausführliche Statistiken über den Anteil der islamischen Bevölkerung in europäischen Großstädten.

Damit nicht genug, durch die religiöse Komponente Christentum gegen Islam könnte B. in seinem Wahnsinnsverbrechen eine quasi heilige Tat gesehen haben. Den Nachwuchs der Arbeiterpartei, die in Norwegen die Regierung stellt und das Land mit Unterbrechungen über Jahrzehnte regiert hat, könnte er als Träger der Ideen der Frankfurter Schule und 68er in dem skandinavischen Land identifiziert haben. Durch den Massenmord an dem sozialdemokratischen Nachwuchs erreicht der rechtsradikale Attentäter zwei Ziele: Maximale Aufmerksamkeit für seine Tat – und B. eröffnet aus seiner Sicht seinem Land eine bessere Zukunft, da der Arbeiterpartei viel Nachwuchs verloren gegangen ist, die Ideen der Frankfurter Schule geschwächt werden. Der zweite Teil seiner Rechnung dürfte nicht aufgehen: Ministerpräsident Stoltenberg hat in beeindruckenden Ansprachen bereits mehrfach deutlich gemacht, dass die Antwort der Norweger auf dieses Hass-Verbrechen nicht weniger, sondern mehr Demokratie und Solidarität sein werden. Die Qualitäten der norwegischen Gesellschaft, Toleranz und Offenheit, sollen erhalten bleiben, betonte der Premier.

B.s Thesen zu Islam und 68ern lassen sich Millionenfach in Internet-Foren und auch Mainstream-Medien nachlesen. Unter dem Banner der Meinungsfreiheit (“Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!”) wird eine angebliche linke Meinungshegemonie sowie der drohende Untergang des Abendlandes beklagt. Eine brisante Mischung aus Minderwertigkeitskomplexen und Chauvinismus, die mit religiösen Elementen angereichert offenbar das Motiv für den Massenmord in Norwegen geliefert hat. Der Kampf der Rechtsradikalen für mehr Freiheit ist das genaue Gegenteil, die Konsequenzen sind Gräben in der Gesellschaft, Intoleranz, Hass – und nun sogar Massenmord.

Vielleicht gibt das bürgerlichen Kreisen in Deutschland, die gerne mit vermeintlichen Tabubrüchen kokettieren, auch endlich zu denken.

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