Piratenpartei :: System-Rebellen oder Wirtschaftspartei für Nerds?

Montag, 5. Dezember 2011 um 08:27 - futziwolf
Parteiprogramm der PIRATEN-Partei:
Bedingungslose Grundeinkommen
Drogenschwarzhandel durch kontrollierte Erwerbsstrukturen mit Verbraucherschutz ersetzen

Begrenzung der Leiharbeit, ein Kommunalwahlrecht für Ausländer und die Trennung von Staat und Religion
Bilanz des Piraten-Parteitags in der SZ
"Kommunistische Kleinunternehmer-Lobby-Partei" in Telepolis
>>> Die Piratenpartei hat die Freigabe des Konsums von bislang illegalen Drogen gefordert. Ihr Parteitag in Offenbach nahm mit deutlicher Zweidrittelmehrheit zwei Anträge zur Drogenpolitik an. Eine Bevormundung von Erwachsenen "beim verantwortungsvollen Umgang mit Rausch- und Genussmitteln widerspricht der Grundüberzeugung der Piraten und unserem Verständnis einer mündigen Gesellschaft", heißt es in dem ersten Antrag. In dem zweiten Antrag heißt es, dass "die bisherige, repressive, vorwiegend auf Abstinenz abzielende Drogenpolitik" gescheitert sei.
Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Stoffen müsse aufgehoben werden. Die Partei begründete ihre Forderungen damit, dass "Genuss und Rausch Bestandteil unserer Gesellschaft" seien und "grundlegende, soziale Funktionen" erfüllten. Die bisherige Kriminalisierung der Konsumenten müsse beendet und der damit verbundene Schwarzhandel "durch kontrollierte Erwerbsstrukturen ersetzt werden". Durch die bisherigen Verbote seien weder Jugend- noch Verbraucherschutz möglich. <<< tagesschau.de
"Die Piraten sind keine System-Rebellen"
Interview zum Bundesparteitag
Gewogen und für zu leicht befunden: Schriftstellerin Katja Kullmann geht mit der Piratenpartei hart ins Gericht. Das Programm sei zu kurz, die Ausrichtung zu pragmatisch, kritisiert sie im Interview mit tagesschau.de. Stattdessen wünscht sie sich mehr Volkspartei statt Saisonphänomen.

tagesschau.de: Internetpartei, Freiheitspartei, Polit-Freibeuter - wer oder was die Piraten sind, darüber ist in den vergangenen Monaten viel geschrieben worden. Sie selbst bezeichnen die Piratenpartei als „Wirtschaftspartei“. Warum?

Katja Kullmann: Die Piratenpartei ist in dem Sinne eine Wirtschaftspartei, als dass sie sich für die Verbesserung von Wirtschafts- und Handelswegen einsetzt. Ihre Klientel sind die jungen Erwachsenen, die in großstädtischen Räumen und jetzt schon als kleine und freie Unternehmer das Internet bewirtschaften. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, aber man darf die Piraten eben auch nicht romantisieren. Es geht ihnen eben nicht um eine grundsätzliche Werte- oder Ideenbestimmung. Und es sind schon gar nicht die Rebellen, die das System in Frage stellen.

tagesschau.de:
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Piraten vor allem auf Konfrontationskurs mit der FDP gehen? Oder sind doch die Grünen der Hauptgegner?

Kullmann: Die Frage können Ihnen wahrscheinlich noch nicht einmal die Piraten selbst beantworten. Sie folgen ja der altbekannten Ideologie, dass die Ära der Ideologien vorbei ist, dass es kein "rechts" und kein "links" mehr gibt. Als Hauptstoßrichtung der Piraten würde ich einen wirtschaftlichen Pragmatismus feststellen wollen. Ansonsten mischen sie die Themenfelder bunt durcheinander. Und in einem unterscheiden sich die Piraten eben kaum von anderen Parteien: Auch sie haben keine großen Antworten auf die großen Fragen, auf die Bankenkrise, auf die Finanzkrise. Deswegen finde ich die Beschreibung "Rebellenpartei" unangemessen.

tagesschau.de:
Parteien behaupten gemeinhin, sich ums Gemeinwohl zu bemühen. Die Piraten stellen das Individuum in den Vordergrund. Drückt sich hier ein anderes, neues Gesellschaftsbild aus??

Kullmann: Ein Begriff wie "solidarisch" kommt im Parteiprogramm der Piraten nur einmal vor, ein Begriff wie "individuell" aber acht- oder neunmal. Die Wortwahl spiegelt die Wahrnehmung vieler von Gesellschaft und Gegenwart wider. Viele junge Erwachsene sind bereit, sich der Formel "Sei deines Glückes Schmied" unterzuordnen und nehmen dafür Leiharbeit, Zeitarbeit und Outsourcing in Kauf.
Ich glaube, dass all diese Vorstellungen von individueller Virtuosität letzten Endes auch wieder ein Massenpänomen sind und dass am Ende der gut ausgebildete Individualist zusammen mit dem freigesetzten Fensterputzer in Leiharbeit in einem Boot sitzt. Ungleiche Löhne und schlechte Honorierung sind längst keine Frage der sozialen Schicht mehr. Daraus könnte eine neue Solidarität erwachsen - aber dieser Begriff scheint die Piraten nicht weiter zu interessieren.

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