"Wo es schmerzt, da greift man hin" (18)

Sonntag, 18. Dezember 2011 um 18:51 - futziwolf
Wo das wohl hinführt?
Unsere beliebte Kolumne "Wo es schmerzt, da greift man hin" für Realsatire und dem Griff in die Wunden unzähliger politischer Fehltritte jetzt mit wöchentlichen Kommentaren:
Der politische Wochenrückblick (01)
von Genosse Astrolabius
Sehr herzerfrischend begann die neue Woche für die FDP, deren Noch-Vorsitzender Rösler ohnehin schon genug mit Unmut in den eigenen Reihen und sogar einem (durch höhere Fügung des Marktes dann letztlich doch gescheiterten) Mitgliederentscheid gegen den von der Parteiführung vorgegebenen Kurs in Punkto Bankenrettung zu kämpfen hatte. Unbequemerweise wurden (freilich vollkommen uneigennützige) Spenden des Rüstungsunternehmens Heckler&Koch an den FDP-Kreisverband Rottweil-Tutzlingen bekannt, deren Mitglied Ernst Burgbacher zufällig den Posten des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium inne hat. Das ebenfalls rein zufällig für die Genehmigung von Waffenlieferungen an Drittstaaten zuständig ist. So zum Beispiel für die mittlerweile verbotene Lieferung von Sturmgewehren nach Mexiko, an denen Heckler&Koch sich in den Jahren 2005-2010 eine hübsche Summe verdient haben dürfte. Für eventuelle Zusammenhänge interessierte sich auch die Staatsanwaltschaft, deren Ermittler bei den Gewehrfabrikanten diesbezügliche E-Mails mit kompromittierendem Inhalt fanden.

So etwas sieht natürlich gar nicht gut aus für eine staatstragende Partei, wie sie die Liberalen gerne wären. Andererseits könnten solche Schlagzeilen der FDP auch durchaus dabei helfen, endlich wieder ernster genommen zu werden, nachdem sie im letzten Jahr für den Spott aus gegebenem Anlass wahrlich nicht zu sorgen brauchte. Da sei nur auf das seinerzeit großspurig angekündigte „Projekt 18“ verwiesen, das sich bei den Senatswahlen in Berlin nun exakt im Promillebereich realisierte. Außerdem mussten sich die kanariengelben Managerfreunde doch tatsächlich vorwerfen lassen, so etwas wie Weicheier zu sein, weil der ehemalige Spaßkandidat und jetzige Außenminister Westerwelle gegen Libyen nicht so recht in Kriegslaune kommen wollte. Und das, als fast der ganze Rest der Bagage im Bundestag, die ex-Gutmenschen von Bomber 90 / Die Grünen eingeschlossen, sich bereits gegenseitig mit menschenrechtsgeschwängertem Kriegsgebrüll zu übertrumpfen versuchten. Und ausgerechnet die FDP wollte nicht mitmachen, bloß weil man mit Ghaddafi so gute Geschäftsbeziehungen hatte? Das ging gar nicht, so stellt man jedenfalls in der Berliner Republik des 21. Jahrhunderts keine Regierungsfähigkeit mehr unter Beweis. Genau so wenig übrigens, wie mit glattgesichtigen Kerlchen, die aussehen als hätten sie gerade eine Lehre als Bankkaufmann begonnen. Da sind so ein paar krumme Geschäfte mit arbeitsplatzschaffenden Leistungsträgern beim Waffenexport vielleicht gar keine so schlechte Publicity. Schließlich könnte es ja durchaus sein, dass man in absehbarer Zeit rechtspopulistische Konkurrenz bekommt, da braucht man ein robustes Profil.

Vielleicht ist angesichts dieser Umstände für die arg gebeutelten FDPler auch personell ein Umdenken in bisher eher unerwartete Richtungen erforderlich? Da der Sessel des Vorsitzenden ja wohl bald vakant wird (die Landtagswahlen in Schleswig Holstein stehen vor der Tür, und das Ergebnis wird wahrscheinlich ähnlich lustig ausfallen wie jenes in Berlin), sollte man einfach auf die etwas reifere Kompetenz in den eigenen Reihen zurückgreifen und den gegenwärtigen Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel zum Vorsitzenden machen. Der könnte Deals mit der Rüstungsindustrie sicherlich ebenso glaubwürdig vertreten, wie er bei der nächsten Gelegenheit für eine handfeste deutsche Beteiligung am Kriegsgeschehen sorgen würde. Da sähen auch die Wahlergebnisse wieder ganz anders aus. Er würde bestimmt ein romantisches Bild abgeben auf den Plakaten als Kanzlerkandidat: vor einer riesigen Deutschlandfahne mit seiner Sonnenbrille und den Militärklamotten, das Sturmgewehr seines Lieblingsherstellers in den Händen, ein dezentes FDP-Abzeichen am Revers und eine Zigarre zwischen den Zähnen. So jemand wird auch mit dem menschlichen Sekundenkleber Brüderle fertig, der kann den Verlust eines Generalsekretärs kompensieren, indem er den Job auch noch einfach selber macht. Den haut ein Mitgliederentscheid nicht um, der haut eher den um, der ihn initiiert. Der verbietet nach Erringen der Zweidrittelmehrheit als politischer Terminator im Handstreich alle „extremistischen“ Parteien, bis nur noch die FDP übrig bleibt. Und dann geht’s endlich wieder aufwärts in Europa, mit einem starken Deutschland, niedrigen Lohnnebenkosten und einem milde gestimmten Markt, der Aufschwung immer höher, weit hinauf, in ungeahnte Gefilde, der ganze Kontinent ein einziges Einkaufszentrum... Na, man wird ja wohl noch träumen dürfen.

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