"Wo es schmerzt, da greift man hin" (20)

Dienstag, 3. Januar 2012 um 00:55 - futziwolf
Wo das wohl hinführt?
Der politische Wochenrückblick (03)
von Genosse Astrolabius
Wie oft ist unseren deutschen Politikern und Bürokraten doch Ideenlosigkeit und mangelnde Flexibilität vorgeworfen worden. Eigentlich unfair, zumal die berühmten preußischen Tugenden zwar Pflichtgefühl, Pünktlichkeit und Exaktheit, ganz sicher aber nicht Kreativität und Phantasie mit einschließen. Am traditionellen nationalen Leitbild gemessen taten die Vertreter und Verwalter des Volkes also – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – soweit man zurück denken kann immer nur das, was man von ihnen erwarten konnte. Nämlich pedantisches Exekutieren dessen, was der gerade amtierende große Vorgesetzte für richtig erachtete. Früher waren das, je nach historischer Epoche, mal Wotan oder Stammesfürst, mal Gott, der Kaiser, dann der Führer – und heute nennt man das eben den Markt. Soweit, so berechenbar, wenn auch in den meisten Fällen keineswegs erfreulich. Und nun das. Für jeden aufrechten Untertanen (pardon: Bürger) überraschend kam in der vergangenen Woche ans Tageslicht, dass die Arbeitslosenstatistik systematisch „geschönt“, also schlicht und einfach gefälscht worden ist. 105.000 arbeitslose Senioren, die in den offiziellen Zahlen einfach nicht mehr auftauchen? Und nicht nur das, über eine Million de facto Arbeitslose, die in größtenteils völlig perspektivlosen „arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen“ herumsitzen oder für einen Euro die Stunde ihre harten Brötchen verdienen müssen, sind ebenfalls nicht erfasst? Das ganze schöne Jobwunder erschwindelt, erstunken und erlogen? Da kann dem aufrechten Spießbürger schon einmal das Grundvertrauen unter den Füßen wegbrechen. Wenn man sich nicht einmal mehr auf die amtliche(!) deutsche(!) Statistik verlassen kann, woran soll man denn dann noch glauben?
(Zum Thema Bundespräsident Wulff reicht uns heute ein Foto. siehe weiter unten)



Zum Troste (denn alles ist ja relativ, und wenn es woanders viel schlimmer ist, erscheint es hier doch wieder halb so wild) sei dem wackeren preußischen Patrioten zum Blick über den Atlantik geraten. Dort, im Land des perpetuierten Fortschritts und der unbegrenzten Ausbeutungsmöglichkeiten, wo man es mit der offiziellen Statistik sowieso noch nie so genau genommen hat (wozu soll man die ganzen potenziellen Millionäre denn auch zählen, so lange sie noch nutzlos in Mülltonnen wühlen und in Zeltstädten leben?), da hält man sich mit kleinlichen Schummeleien gar nicht mehr auf. Da wird die geballte Kreativität der staatlichen Organe gleich aufs große Ganze, sprich die Verfassung gerichtet, was in etwa einer vollen Breitseite aus dem nicht gerade bescheidenen nuklearen Arsenal der von Gott zur Führung der freien Welt erkorenen Nation entspricht. Etwas weniger umständlich formuliert: Im Namen der Sicherheit setzt man die Verfassung Stück für Stück außer Kraft, wobei man zum Jahreswechsel auf diesem Wege einen so gewaltigen Sprung nach vorne gemacht hat, dass deutsche Wiefelspütze und Friedrichs feuchte Augen kriegen dürften: Der National Defense Authorization Act (NDAA), quasi so eine Art Militärhaushalt mit zusätzlichen Maßnahmen, wurde von Präsident Obama unterzeichnet, zwar nach eigener Aussage mit gewissen Bauchschmerzen, was an der Substanz des Pakets allerdings nichts ändert. Im Kern geht es darum, dass das Militär unter Verweis auf Terrorismusverdacht jede Person beliebig lange internieren darf, ohne Gerichtsverhandlung, ohne Rechtsbeistand und ohne die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Während einige Wissenschaftler und Bürgerrechtsgruppen bereits Parallelen zu finsteren Kapiteln diesseits des Atlantiks ziehen (das böse Wort „Ermächtigungsgesetz“ wurde bereits ausgesprochen), freut man sich in den USA selbst über das neue Sicherheitsniveau, zumal Obama auch bereits zugesichert hat, dass seine Administration keine US-Bürger zum Opfer lebenslanger Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren machen würde. Und wer könnte dem Mann nicht glauben? Vielleicht mal abgesehen davon, dass kommende Regierungen nicht an Obamas Versprechungen gebunden sind und auch er selber nicht besonders viel von dem umgesetzt hat, was er noch im Wahlkampf vollmundig zugesichert hatte? Halb so wild, Hauptsache das Homeland wird gegen die bösen bärtigen Bombenleger verteidigt, so effektiv wie möglich.

Passenderweise ist man freilich auch bei der Definition dessen, wer als Terrorist gilt, recht konstruktiv, und das auch im inoffiziellen 51. Bundesstaat: In London hatten sich da letztens ein paar Aktivisten der Occupy-Bewegung ziemlich aufgeregt, weil sie sich auf einer Liste terroristischer Organisationen wiederfanden. Und auch die Tatsache, dass Einheiten des „Federal Protective Service“ (FPS), die direkt dem „Department of Homeland Security“ zur Terrorismusabwehr unterstehen, gegen Occupy-Aktivisten in den USA eingesetzt worden sind, könnte in diesem Zusammenhang durchaus zu denken geben. Aber das Schöne an der Sache ist: Zum Nachdenken werden einige der zur Zeit noch händchenwedelnden Aktivisten dann ja vielleicht bald auch jede Menge Zeit haben. Wenn sie zum Beispiel in ihren orangefarbenen Overalls zur nächsten Waterboardingsitzung gefahren werden, während ihnen ein Militärpfaffe aus der Bibel vorliest...

>>> s.p.o.n.

[UPDATE]





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