"Wo es schmerzt, da greift man hin" (21)

Dienstag, 10. Januar 2012 um 03:08 - futziwolf
Wo das wohl hinführt?
Der politische Wochenrückblick (04)
von Genosse Astrolabius
Die „Wehrhafte Demokratie“ ist uns ja eigentlich immer als Lehre verkauft worden, die die ganzen aufrechten deutschen Demokraten aus dem Untergang der Weimarer Republik und die darauf folgende faschistische Diktatur gezogen haben. Abgesehen von der Frage, wo diese lobenswerten Persönlichkeiten während der Zeit des Dritten Reiches wohl gesteckt haben mögen (etwa gut getarnt in Wehrmachtsuniformen?), bei Seite gelassen auch der Umgang der Adenauers und Sträuße mit alten Nazigrößen beispielsweise beim Aufbau der bundesrepublikanischen Sicherheitsorgane – immerhin ist die erste Partei, die dann auch wehrhafterweise verboten wurde, die „Sozialistische Reichspartei“ SRP gewesen, die ihrem Namen zum Trotz ungefähr genau so sozialistisch wie die NSDAP war (nämlich gar nicht), dafür aber aus lauter alten Nazis bestand, die unvorsichtig genug waren, das auch noch offen zu sagen. Dass dann ein paar Jahre später auch die KPD vom Verfassungsgericht das Label „verfassungsfeindlich“ aufgedrückt bekam (obwohl sie selber am Schreiben der Verfassung beteiligt war), war dann allenfalls für diejenigen überraschend, die noch nicht kapiert oder schon wieder vergessen hatten, dass die wirklich Herrschenden schon immer vor allen Dingen ganz gewaltigen Schiss vor Kommunisten gehabt haben. Mit welchen Mitteln man verhindert, dass da am schönen Reichtum zu viel von oben nach unten umverteilt wird, am Ende gar noch „oben“ und „unten“ ganz abgeschafft werden, das ist dann nur Formsache. Lieber tot als rot, damit könnte man die deutsche Staatsraison wohl ganz gut auf den Punkt bringen.


Nun spielte sich das Ganze ja mitten im kalten Krieg ab, von Hochverrat war die Rede, der Russe stand so gut wie vor der Tür und überhaupt war den entscheidenden Leuten nicht so wohl bei dem Gedanken, dass da vielleicht eine fünfte Kolonne Moskaus im deutschen Verteidigungsausschuss herumsitzt und direkt ins Feindesland kabelt, welche Fortschritte die Wiederbewaffnung gerade so macht, oder mit welchem Funkgerätemodell man den Starfighter denn jetzt vom Himmel holen kann. Vorbei, könnte man denken, die Mauer ist weg, es gibt Bananen für alle (für Bezieher der großzügigen Sozialleistungen zumindest zum Angucken), und irgendwie hat man das kitschige „Wind of Change“ nach über 20 Jahren ja noch immer in den gepeinigten Gehörgängen kleben.

Wenn man sich aber so anhört bzw. durchliest was manche CSU-Größen im Jahr 2012 allen Ernstes über die LINKE zum Besten geben, könnte man fast glauben, dies- und jenseits des Atlantiks würden noch immer die Daumen der Generäle über den roten Knöpfen schweben, bereit zum Abschuss der Atomraketen und der damit einhergehenden 3.000-fachen Pulverisierung unseres armen Planeten. Alexander Dobrindt jedenfalls, immerhin Generalsekretär der bayerischen Staatspartei CSU, will in bester Manier des kalten Kriegers die Keule des Parteienverbots nicht nur gegen die NPD, sondern auch gegen die LINKE, Zitat: „Dunkelrot“, schwingen. Ruft man sich in Erinnerung was der Übervater der Partei, Franz-Josef Strauß, von der Verortung seiner politischen Heimat im deutschen Parteienspektrum offen sagte („Rechts von der CSU ist die Wand“), könnte man wohl durchaus unterstellen, dass es der CSU bei der Bekämpfung von Faschisten allenfalls um parteitaktisches Kalkül gehen dürfte. Ganz im Gegensatz zum sicherlich ehrlichen Bemühen, alles was irgendwie nach Kommunisten aussieht so schnell wie möglich loszuwerden. Und da fällt dem wahren Deutschen eben zuerst das Wort „verbieten!“ ein. Nun könnte es einen irgendwie stutzig machen, dass sogenannte Demokraten aus der ebenfalls sogenannten „politischen Mitte“ eine Partei, jawohl, verbieten lassen wollen, deren Fraktionschef im Bundestag in Interviews Sätze äußert wie: „Wir müssen die Vertreter einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft sein.“ Und das ist heute „dunkelrot“? Und auch noch gegen die Verfassung? Was muss man denn dann vertreten, wenn man nicht gegen die Verfassung ist? Eine nicht funktionierende soziale Marktwirtschaft? Oder eine funktionierende asoziale Marktwirtschaft? Zweifellos, es würde zumindest von bemerkenswerter Ehrlichkeit zeugen (und Dank unseres Bundespräsidenten wissen wir ja: „Besser die Wahrheit!“) wenn die Union das im nächsten Wahlkampf auch so propagieren würde. „CDU/CSU, Ihre Wahl für eine nicht funktionierende, asoziale Marktwirtschaft in Europa!“ Aber mal im Ernst gefragt: Wo liegt heute eigentlich die „politische Mitte“, wenn eine Partei, deren Programm man im Großen und Ganzen als linkssozialdemokratisch bezeichnen könnte, bereits als Kandidat für ein Verbotsverfahren gehandelt wird?!

Trackbacks

    Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: (Linear | Verschachtelt)

    Noch keine Kommentare


Kommentar schreiben


Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt