Buchtip: Erasmus von Rotterdam - "Lob der Torheit"

Sonntag, 22. Januar 2012 um 08:07 - futziwolf
Die Torheit ging, die Idioten blieben
>>> Vor 500 Jahren schrieb Erasmus von Rotterdam seinen Beststeller "Lob der Torheit"

... Und nur zu verständlich waren die Anfeindungen! Denn nichts anderes als einen gesellschaftskritischen Rundumschlag vollführt Erasmus von Rotterdam in seinem "Lob der Torheit". Der schon als genial zu bezeichnende Kniff ist, die personifizierte Torheit selbst sprechen zu lassen und auf diese Weise einen Text mit Netz und doppeltem Boden zu produzieren. Denn alles, was die Torheit sagt, steht unter dem Generalverdacht, selbst nur Torheit und darum nicht angreifbar zu sein. Damit hat Erasmus die Lacher auf seiner Seite, und genau darauf spekuliert er. Sie allein könne, erklärt nämlich die Torheit in der Ich-Form, die Götter und die Menschen aufheitern.
... Alte Knacker, die sich mit jungen Dingern zusammentun, Reiche, die nur prassen, die kriegslüsterne Obrigkeit, bornierte Lehrer, theoretisierende Wissenschaftler, vor allem aber Bischöfe, Priester und Mönche bekommen ihr Fett weg. Das hat eine Verve und eine Schärfe, die unerhört ist und ihre Wirkung bis heute entfaltet. Darum auch ist das "Lob der Torheit" eines der wenigen Bücher, das uns von Erasmus wie überhaupt aus der Renaissancezeit noch erinnerlich ist und bis in unsere Tage Neuauflagen über Neuauflagen erlebt.
... Größte Bedeutung hat des Erasmus Buch für eine ganze Gattung, die mit einer heute ähnlich obsoleten Begrifflichkeit beschrieben wird wie die Torheit. Wenn heute unter Literaturwissenschaftlern von Narren, Schelmen oder dem "Picaro" die Rede ist, wird damit ein Romantyp identifiziert, der mit dem 1552 anonym veröffentlichten "Lazzarillo von Tormes" seinen Ausgang nahm und mit Cervantes' "Don Quixote" und Grimmelshausens "Simplicissimus Teutsch" frühe Blüte trug. Noch Gerhart Hauptmanns "Der Narr in Christo Emanuel Quint" und Thomas Manns "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", Oskar Matzerath in Günter Grass' "Die Blechtrommel" oder "Don Camillo und Pepone" von Giovanni Guareschi sind späte Zeugen in jenem Prozess, in dem die Torheit vor fünfhundert Jahren zu ihrer furiosen Verteidigungsrede ansetzte.  >>> telepolis

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