"Wo es schmerzt, da greift man hin" (28)

Montag, 27. Februar 2012 um 23:50 - futziwolf
Wo das wohl hinführt?
Der politische Wochenrückblick (11)
von Genosse Astrolabius
Woran erkennt man, was dem Volk besonders am Herzen liegt? Richtig, an Sprichwörtern und Redewendungen. „Das ist nicht mein Bier“ heißt es hierzulande, wenn einen etwas nichts angeht. Ist das Gegenteil der Fall, „geht es um die Wurst.“ Das lässt tief blicken, zeigt des Durchschnittsmenschen Gemüt und des Volkes wahre Werte. Möglicherweise war der ein oder andere Bildzeitungsleser bisher der Meinung, internationale Politik sei generell eher nicht sein Bier, und beim Überblättern der immer neuen und immer bedrohlicheren Meldungen bezüglich des angeblichen Atomwaffenprogramms im Iran und der ebenso angeblich existenziellen Bedrohung Israels entrann ihm nur ein gelangweiltes Gähnen auf dem Weg zum Sportteil oder den Titten auf der letzten Seite. So kann man sich täuschen. Denn nicht nur dürfte das Fahren des Autos, bekanntlich „des Deutschen liebstes Kind“ (schon wieder so eine entlarvende Redewendung), noch teurer werden als ohnehin schon, wenn die vereinten Streiter für einen demokratischen Nahen Osten in Kürze aus lauter Sorge um die Menschenrechte Iran und Syrien dem Erdboden gleichmachen. Nein, es ist tatsächlich auch in ganz und gar nicht metaphorischer Weise die deutsche Wurst betroffen. Ja, da sehen wir mal wieder, wie verflochten die Weltwirtschaft in Zeiten der vielbeschworenen Globalisierung ist! Kaum werden die Handelsbeziehungen mit dem Iran schlechter, schon wird das Angebot an Schafsdärmen auf dem Weltmarkt knapp, ergo steigt der Preis für die Wurst.

Spätestens jetzt ist also klar: Im Iran sind deutsche Kerninteressen berührt! Da lässt die Reaktion der Regierung natürlich nicht lange auf sich warten, schließlich hat man beim Amtsantritt geschworen, man werde „Schaden vom deutschen Volk abwenden“. Und folgerichtig dauerte es kaum einen Tag nach der Warnung des Lebensmittelgroßhandels vor der drohenden Preisexplosion, da meldete sich unser Außenminister Westerwelle schon zu Wort und warnte, so wörtlich, vor einem „Stellvertreterkrieg“ um Syrien, das ja immerhin der wichtigste Verbündete des Iran in der Region ist. Da sind die Kausalverhältnisse doch wohl klar. In Zeiten der Krise, das ist eine alte Lehre der Politik, muss man vorsichtig sein. Denn es war nicht zuletzt der steigende Brotpreis, der seinerzeit die Französische Revolution ausgelöst hatte. Und um einer drohenden Sprit- und Wurstpreisrevolution im Land der ansonsten beispiellos obrigkeitshörigen Gartenzwerge vorzubeugen macht der Westerwelle dann eben schon wieder den unbelehrbaren Friedensengel – wie letztes Jahr beim Libyen-Konflikt, wo ihn seine menschenverachtende Weigerung, sich der Legitimierung einer tausende Zivilisten das Leben kostenden „humanitären Intervention“ mit anschließender Installation eines politisch genehmen Folterregimes anzuschließen, fast das Amt gekostet hätte. Aber auch hier dürfte das Kalkül klar sein: Auf Westerwelle rumzuhacken ist mittlerweile sogar der Bild-Zeitung zu doof, und von seiner Partei (dessen Name dem Autor gerade entfallen ist) ist sowieso nicht mehr viel übrig. In Zeiten, in denen Gegnerschaft zum Krieg (von welchen Motiven getragen sei hier dahingestellt) von den versammelten Gutmenschen der Nation als anrüchige Billigung von Massenmord diskreditiert wird, da müssen besonnene Worte eben von denjenigen Regierungsvertretern geäußert werden, die ohnehin nicht mehr zu retten sind.

Doch wollen wir nicht bloß bei den schlechten Nachrichten verweilen, denn es gibt durchaus noch Grund zur Freude. Einen Geschäftszweig gibt es nämlich, der ist nicht nur krisenbeständig, der wächst sogar im Gegenteil zum Rest der Wirtschaft wenn die Zeiten härter werden. Und in genau diesem Bereich ist Deutschland geradezu hervorragend aufgestellt: Der Waffenhandel blüht und sichert hierzulande Arbeitsplätze. Um sage und schreibe 72% ist die kommerzielle Ausfuhr von Kriegswaffen im Jahr 2010 gestiegen, und da ist mit Sicherheit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, zumal die Anzahl der im Jahr 2011 tobenden Kriege den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht hat. Zwar sei dahingestellt, ob die offenbar rasant steigende weltweite Nachfrage nach Tötungsgerät made in Germany ein gutes Zeichen für die nähere Zukunft der in den betreffenden Regionen lebenden Menschen ist, aber da kann man ja getrost mit Volkes Stimme fragen: Ist das vielleicht unser Bier? Schließlich müssen wir zusehen, dass wir uns auch morgen noch unsere Wurst leisten können.



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