"Wo es schmerzt, da greift man hin" (30)

Dienstag, 13. März 2012 um 00:10 - futziwolf
Wo das wohl hinführt?
Der politische Wochenrückblick (13)
von Genosse Astrolabius
Was hat man seinerzeit nicht alles an Klagen zu hören gekriegt über die sogenannten Hartz-Reformen der Regierung Schröder. Obwohl der Sozialdemokrat, selber Sohn einer Putzfrau, ja eigentlich nur in bester Absicht die Marktverzerrungen stückweise beseitigt hat, die die Ware Arbeitskraft künstlich verteuert haben. Wie wurde ihm das gedankt? Durch landesweites Gemecker. Unsozial sei das alles, von beispiellosem Sozialabbau war die Rede, Verelendungstendenzen wurden beklagt, gar das böse und selbstverständlich völlig unangemessene Wort „Armut“ machte die Runde. Und das bloß, weil hunderttausende Rentner und Arbeitslose vom aktivierenden Sozialstaat endlich dazu ermutigt wurden, im Rahmen ihrer Fähigkeiten auch etwas zum Gemeinwohl beizutragen, statt nur die ganze Zeit zu Hause zu sitzen und gelangweilt vorm Fernseher rumzugammeln. Und siehe da: wo man auch hinsieht haben sich doch tatsächlich die versprochenen Kreativkräfte entfaltet, wie man das erwarten kann wenn den Kräften des Marktes mehr Raum zur Entfaltung ihrer segensreichen Tätigkeit gelassen wird. Alles funktioniert immer noch irgendwie, kostet aber viel weniger Geld, das man jetzt für andere Sachen ausgeben kann, für Panzer zum Beispiel, oder für Bankenrettungspakete. Und das richtig Schöne an der Sache ist, dass sich alles irgendwie sogar ausgleicht. Ein einfaches Beispiel kann veranschaulichen, wie die „unsichtbare Hand, die alles zum Guten lenkt“ auf manchmal unerwartete Weise funktioniert: So kriegen beispielsweise die „Niedrigqualifizierten“, oder auch „Geradenochverwertbaren“ zwar auf der einen Seite viel weniger Geld für's Putzen und Müllentsorgen, weil die ja jetzt erst von der Arbeitsagentur an Zeitarbeitsfirmen übereignet und dann weiter verliehen werden. Weniger Geld für die gleiche Arbeit, das könnte man als Laie jetzt erstmal für ungerecht halten. Andererseits aber müssen sie ja auch kaum noch Pfandflaschen beseitigen, weil die von den Nichtmehrverwertbaren umsonst eingesammelt werden. Essensreste verschwinden auch immer öfter wie von Geisterhand aus öffentlichen Mülltonnen, und generell schmeißt wenig weg, wer wenig hat; da ist der Job sozusagen als positiver Seiteneffekt im selben Atemzug einfacher wie auch billiger geworden. Was dann doch wieder ganz schön gerecht klingt.

Sieht man sich zur Zeit die Abendnachrichten an, kann ohnehin kein Zweifel mehr bestehen: die Reformen waren richtig, und deswegen geht’s Deutschland auch so unglaublich gut. Das eröffnet wiederum weitere Sparpotenziale, und in zweieinhalb Jahren ist es endlich soweit: dann wird es erstmals seit Ewigkeiten wieder einen Haushaltsüberschuss geben, ein Grund zum Feiern für Jedermann. Jedenfalls sind das die erklärten Ziele unseres geschätzten Finanzministers, der im Rahmen des bereits 2010 beschlossenen Sparpakets deshalb bis 2014 unter anderem im Sozialetat 30 Milliarden Euro und in der Verwaltung 13 Milliarden Euro einsparen will. Zahlen, die trotz der guten Erfahrungen mit Hartz 4 und den tollen Aussichten auf den Haushaltsüberschuss den Einen oder Anderen reflexhaft zum Schlucken bringen dürften. Die Bilder aus Griechenland (brennende Banken!) sind uns wohl allen noch präsent, und so etwas kann ja nun wirklich niemand wollen – aber der Schäuble wird schon wissen was er tut, da ist so ein bisschen Vertrauensvorschuss durchaus angebracht, oder?

Wer nun dachte, damit wäre es dann jetzt aber getan, muss sich wiederum eines Besseren belehren lassen. Denn vor wenigen Tagen sind die Gutmenschen von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mit einer erstaunlichen Erkenntnis an die Öffentlichkeit getreten. Laut einer Studie des renommierten Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der INSM ist da nämlich noch eine ganze Menge Luft drin im System: Noch einmal gut 10 Milliarden können im Sozialbereich weg, sagen die neuen sozialen Marktwirtschaftler, und in der Verwaltung sind ungefähr sieben Milliarden Euro überflüssig. Ob das wohl gut geht, fragt sich der ewige deutsche Bedenkenträger erneut, und runzelt sorgenvoll die Stirn. Aber warten wir nur ab, wie der Markt es in seiner unendlichen Weisheit und Güte diesmal richten wird. Denn ob der Pöbel seine Pfandflaschen wirklich auf die Polizei wirft, wird er sich dann ja wohl gut überlegen. Und vielleicht ist das Lumpenproletariat in zwei Jahren auch schon viel zu sehr geschwächt vom dauerhaften 12-Stunden-Tag (mit anschließendem Schlangestehen beim Amt für Aufstockungsleistungen oder bei der Tafel für's Abendessen) um unser dann sicherlich noch viel besser funktionierendes Deutschland durch Randaliererei und Ähnliches in seiner Ruhe und Ordnung zu stören...

Trackbacks

    Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: (Linear | Verschachtelt)

  1. der leere eimer :

    mir flimmern die augen - der schwarze hintergrund ist sowas von augenschädigend - schade um den guten text ... wie wärs mal mit was anderem, ein neues konzept, ein neuer netzauftritt, neues layout nach all den jahren ...?

  2. futziwolf :

    komisch, mir gehts genau so, bei weißem hintergrund.
    ansonsten supa idee.
    nur leider is da grad niemand der ne neue hp programieren würde.


Kommentar schreiben


Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt