Gedenkveranstaltung „Mülheimer Bombennacht“

Montag, 24. Juni 2013 um 00:12 - futziwolf
Geschichtsrevisionismus?
Pressemitteilung

Am heutigen Sonntag veranstalteten wir, die Gruppe Gewisser Überdruss, ab 10:30 Uhr eine
Kundgebung gegenüber der „alten Augenklinik“, wo die städtische Veranstaltung zum Gedenken an
die „Mülheimer Bombennacht“ von 1943 stattfand.
Mit etwa 40 Teilnehmer_innen machten wir deutlich, dass ein solches Gedenken nicht losgelöst
vom historischen Kontext des Nationalsozialismus abgehalten werden darf. Dabei gab es sowohl
Verständnis und Wohlwollen einiger Teilnehmer_innen der Gedenkveranstaltung, die unsere Kritik
teilten, als auch negative Reaktionen uns gegenüber. Letztere kamen von wenigen Personen, die
lieber nicht mehr an den Nationalsozialismus erinnert werden wollen, aber auch nicht erklären
konnten, weshalb sie eine Gedenkveranstaltung besuchen. Unsere Anwesenheit war also keinesfalls
unbegründet.
Allerdings konnten wir leider die Einladung der OB Mühlenfeld, uns an der offenen
Podiumsdiskussion zu beteiligen nicht wahrnehmen. Hierzu verwehrte und die Polizei den Zugang.
Allerdings hatte, laut eines Besuchers, die Podiumsdiskussion gar keinen offenen Charakter,
sondern bestand aus vier Zeitzeug_innen auf dem Podium, die vorgefertigte Fragen von
Schüler_innen beantworteten. Bemerkenswert finden wir an dieser Veranstaltung, dass die Stadt
sich vornimmt, eine Zeitzeug_innenveranstaltung zu veranstalten, dabei es aber versäumt, alle
Gruppen von Zeitzeug_innen anzusprechen: Es wurden weder ehemaligen Zwangsarbeiter_innen
eingeladen, noch Insass_innen des Arbeitserziehungslagers am Flughafen, keine ehemaligen
Inhaftierten, welche die Bombennacht im Freien und nicht von Bunkern geschützt erleben durften.

Um 12:30 Uhr löste sich die Kundgebung auf. Anschließend fand um 13:00 am Synagogenplatz,
eine von uns veranstaltete antifaschistische Demonstration gegen Geschichtsrevisionismus und
deutsche Opfermythen statt. Die ungefähr 80 Teilnehmer_innen hörten Redebeiträge zu den
verschiedenen Orten, welche die Demonstration besuchte. Am Haus Bahnstr. 44 verwiesen wir auf
das Schicksal der Familie Meyer und eines von insgesamt neun früheren sog.„Judenhäusern“. Am
Mahnmal der Opfer beider Weltkriege wurde in einem Redebeitrag auf die Ursachen der deutschen
Opfermythenbildung eingegangen. Der Zug der Demonstration ging weiter zur Straße „An den
Sportstätten“, welche mitten auf dem Gelände der ehemaligen Militärkaserne liegt, welche auch die
das Gestapo -gefängnis und das ehemalige Kriegsgefangenlager beherbergte .Die Demonstration
endete gegen 15 Uhr auf dem Kurt- Schumacher- Platz, wo mit einem Redebeitrag die Rolle der
Presse, insbesondere der WAZ, benannt wurde. Der Redebeitrag ist an diese Pressemitteilung
angefügt. Hiernach wurde die Versammlung ohne Zwischenfälle aufgelöst.

Noch ein Wort zur Berichterstattung: Die Zeitzeug_innen-Berichte in der WAZ-Serie zur
„Bombennacht“ wurde durchweg unkritisch und ohne historischen Kontext veröffentlicht. Ohne die
sicherlich traumatisierenden Erlebnisse der Zeitzeug_innen herunter spielen zu wollen, haben wir
von Anfang an kritisiert, dass die Veröffentlichungen die Einordnung in den deutschen Faschismus
vermissen ließen -als seien die Bomben tatsächlich aus heiterem Himmel gefallen.
Erst am 18.6. änderte sich die Berichterstattung der WAZ teilweise, indem unsere Kritik endlich
zur Kenntnis genommen und zitiert wurde. Gleichzeitig wurde dort die Veranstaltung, jedoch
nochmals von den städtischen Initiator_innen OB Dagmar Mühlenfeld und Stadtarchivsleiter Dr.
Kai Rawe als legitim dargestellt. Beide zeigten sich, im Artikel, von unserer Kritik persönlich
verletzt. Darauf können wir nur erstaunt zurück fragen: Warum haben Sie sich nicht über die
unhistorischen Veröffentlichungen in der WAZ beschwert,wodurch ihre gesamte Veranstaltung
letztlich als unkritisch und geschichtsvergessen gelesen werden musste?

Gerade durch die Aufnahme unserer Kritik – oder auch durch kritischere Artikel wie am 22.6. in der
Mülheimer NRZ – und durch das nun um so deutlichere Betonen des historischen Kontextes durch
die Veranstalter_innen der städtischen Gedenkveranstaltung, bewerten wir unsere Kampagne als
klaren Erfolg. Und damit nicht genug: Die Ausstellungen zu „Widerstand und Verfolgung in
Mülheim 1933-1945“ und „Neofaschismus in Deutschland“ im Autonomen Zentrum, in der Auerstr.
51, laufen noch bis zum 30.6. und werden von mehreren Veranstaltungen begleitet. Wir laden alle
Interessierten herzlich dazu ein vorbei zu schauen. Weitere Informationen sind unter www.azmuelheim.
de zu finden.

Fotos der Veranstaltungen und die gehaltenen Redebeiträge werden in den nächsten Tagen auf
http://ueberdruss.noblogs.org zu finden sein.

Gruppe Gewisser Überdruss
AZ Mülheim
Auerstr. 51
45468 Mülheim
ueberdruss@az-muelheim.de

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