Selbstverwaltete Zentren in Duisburg und Essen?

Donnerstag, 5. Juni 2014 um 13:12 - futziwolf
Gibt es ein Recht auf Stadt?
>>> Mit dieser Frage hat sich der vergangene Politische Dienstag (PolDi) im AStA-Keller in Duisburg beschäftigt. Dazu diskutierten der Aktivist Henning Schumann von der Initiative DU it yourself! (DUIY) aus Duisburg, der Künstler J.X. Ende von der Freiraum-Kampagne Aktion Für Freiräume Essen (AFFE) und Politik- wissenschaftler Andreas Kost von der Uni Duisburg. Dabei drehte sich die Podiumsdiskussion vor allem um aktuelle Entwicklungen für selbstverwaltete Zentren in den beiden Universitätsstädten.

Und da sieht die Lage derzeit düster aus: Weder Duisburg noch Essen haben bislang unabhängige und selbstverwaltete Räume wie es zum Beispiel die Rote Flora in Hamburg oder das AZ in Mülheim sind. Der Weg zu solchen Zentren ist nämlich lang und steinig. Oft entstehen die Freiräume in zuvor leerstehenden Häusern, die zunächst besetzt und danach in ein neues Kultur-Zentrum umgewandelt werden. Dafür muss jedoch auch die Politik einlenken: Ein zentrales Thema auf der Podiumsdiskussion im AStA-Keller. <<<  akduell

Im Keim erstickt


Sowohl die Duisburger, als auch die Essener Freiraum-Aktivist*innen hatten bereits Leerstand besetzt. So hatte DU it yourself! 2011 eine leerstehende Schule in Duisburg-Laar zurückerobert. „Die Besetzung dauerte aber nur zehn Stunden. Dann kam der Eigentümer vom Immobilen Management Duisburg mit einer Hundertschaft vorbei und wir wurden geräumt“, so Schumann von DUIY. Auch die Besetzung der Bärendelle, einer leerstehende Hauptschule im Essener Stadtteil Frohnhausen, konnte sich nicht lange halten: Nach zwei Tagen wurde das Gebäude geräumt (akduell berichtete). Damit wurden die aktuellsten Versuche in Essen und Duisburg, ein selbstverwaltetes Zentrum aufzubauen, im Keim erstickt. „In einer Stadt wie Duisburg gibt es sehr eingefahrene tradierte Politikformen, weil die Stadt jahrelang von einer oder zwei Parteien dominiert wurde“, so Politikwissenschaftler Kost. „Dann entwickelt sich ein Kulturverständnis, das vor allem Hochkultur bevorzugt. Da ist es dann schwierig Alternativkultur an den Mann zu bringen“, so Kost weiter. Mittlerweile gibt es in Duisburg aber wieder Hoffnung: Am 18. März hat der Kulturausschuss auf Antrag der rot-rot-grünen Koalition beschlossen, dass es ein soziokulturelles Zentrum geben soll.

Bürger*innen vs. Bilanzierung

In Essen hatten Anwohner*innen und der Frohnhauser Bezirksbürgermeister Klaus Persch die Besetzung der Bärendelle dagegen befürwortet. Die Stadt reagierte jedoch mit Bilanzierungs-Argumenten: Eine neue Nutzung hätte eine neue Schätzung des Gebäudewertes bedeutet. Seit der letzten Schätzung 1978 hätte der Verfall des Gebäudes eine Abwertung von neun Millionen Euro bedeutet. Die hätte dann vom Haushalt abgezogen werden müssen. „Das heißt die Nutzung durch uns hätte nur auf dem Papier neun Millionen Euro gekostet. Das ist so paradox, dass mir jede politische Erklärung nicht mehr sinnhaft erscheint“, sagt der Essener Künstler J.X. Ende.

Politikwissenschaftler Andreas Kost rät trotzdem vor allem zu institutionalisierter Partizipation: „Es sind starke Formen wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, die die etablierte Politik am meisten fürchtet. Aber auch Einwohneranträge, Fragestunden, Beschwerden und Bürgerversammlungen sind Formen, die etwas bewegen können.“ Für den Künstler und Aktiven J.X. Ende von der Kampagne AFFE keine Option mehr: „An der Bärendelle arbeitet eine Bürgerinitiative weiter, die mit viel Geduld und Frustrationstoleranz durch die politischen Instanzen für die Nutzung der Schule kämpft“, so Ende. „Ich kann da nicht mitmachen, weil ich das schon kenne. Ich kenne die Leute in den Gremien, die sich über uns lustig machen und dann vorne herum sagen ‚Wir kümmern uns‘“, so Ende.

Außerdem würden kommunale Entscheidungen auch in Hinterzimmern gefällt. „Man muss die Vorentscheider, also die Fraktionsvorsitzenden der Mehrheitsfraktionen in Vier-Augen-Gespräche bekommen“, so Politikwissenschaftler Kost. Für die Aktivist*innen eine Zwickmühle: Gerade noch von der Stadt geräumt, müssen Kampagnen auch immer auf die kommunale Politik zugehen: „Man muss ein bisschen klüngeln und mit der Verwaltung nach leerstehenden Immobilien suchen. Andererseits muss man aber auch Druck aufbauen“, sagt Aktivist Henning Schumann.

Dass die Politik oft mauert, liegt vor allem auch an den Haushalten der Kommunen: Duisburg und Essen sind derzeit mit jeweils 3,3 Milliarden Euro verschuldet. „Alle Parteien, egal welche Richtung, hoffen auf jeden Cent. Wenn von 20 Schulen leerstehenden Schulen 19 vergammeln und eine verkauft wird, ist die Stadt schon glücklich. Das ist nicht das beste Spielfeld für uns“, sagt Schumann von der Duisburger Initiative DUIY. Man könnte meinen, die Städte wären froh, wenn die Gebäude zwischengenutzt werden, aber: „Man errichtet als Initiative ja ein Zentrum mit Folgekosten. Wenn es sich dann auch noch um linke Gruppen handelt, dann könnten die sich ja noch aufregen, wenn sie wieder raus müssen“, sagt J.X. Ende.

Andere kulturelle Einrichtungen, wie zum Beispiel das Unperfekthaus oder die Zeche Carl in Essen, die man beide als soziokulturelle Zentren ansehen kann, werden von der Stadt akzeptiert. Würden sich Soziale Zentren auch als unpolitisch positionieren, könnten sie auch Raum bekommen, meint Ende: „Dann muss man seine Ansprüche aufgeben und sagen, wir wollen kein soziokulturelles Zentrum, sondern ein modernes interdisziplinäres Forschungszentrum für politisch kreative Prozesse im urbanen City-Management unter Beteiligung des Quartiersmanagement der vorhandenen Parteien und der Siemens-Stiftung, die da ein Forschungslabor reinsetzt“, so der Künstler J.X. Ende.

Ruhrpott ist nicht Berlin oder Hamburg

Außerdem, da sind sich die Diskutanten während der Debatte einig, könne man das Ruhrgebiet nicht mit Städten wie Hamburg oder Berlin vergleichen, in denen selbstverwaltete Zentren mehrheitsgesellschaftlich unterstützt werden: „In Hamburg oder Köln geht das schnell ein Zentrum zu kriegen, weil es da Intellektuelle gibt, die eine linke Weltanschauung haben und das finanzieren“, sagt Schumann. Außerdem gebe es in Duisburg nicht die 500 Menschen, die sich vermummt vor ein Haus stellten, wie in Hamburg. Aktionen wie eine Besetzung könne man mit 30 Aktivist*innen nicht öfter als alle drei Jahre machen. Dazu agierten bestehende Strukturen, die sich mit Recht auf Stadt beschäftigen, wie zum Beispiel das Netzwerk X-Bündnis, nicht effektiv genug: „Die Bündnisse nutzen sich nicht stark genug aus, wir haben mehr Einfluss, als den, den wir nutzen könnten“, so der Essener Aktivist J.X. Ende. Dass es in Duisburg bislang kein selbstverwaltetes Zentrum gibt, hat für Schumann von der Initiative DUIY neben fehlendem kulturellen Freiraum noch weitere Konsequenzen: „Ohne einen Raum ist es unmöglich Politik zu machen. Das zeigt sich in den Ergebnissen der Kommunalwahlen, die einen Rechtsruck in Duisburg zur Folge hatten“, sagt Schumann. „Wir haben bislang häufig nur eine linke Feuerwehrpolitik: Wenn Nazis, aufmarschieren, dann gibt es auch linken Widerstand“, so Schumann. Die Aktivist*innen werden weiter für ihr Recht auf Stadt kämpfen. Die Aktionsgruppe AFFE plant für den Sommer weitere Veranstaltungen, um dem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen. Und Du it yourself! befindet sich gerade in Gesprächen mit der Verwaltung der Stadt, um eine leerstehende Schule nutzen zu können. Nun werden weitere Beteiligte gesucht, die den Freiraum mitnutzen wollen.

Die Initiativen:

- DU it yourself!
Die Kampagne für ein soziokulturelles Zentrum in Duisburg gründete sich 2011 aus dem Verein Mustermensch e.V. Der Verein hatte schon zehn Jahre lang erfolgreich versucht einen selbstbestimmten Freiraum zu erstreiten. Die jetzige Initiative geht aktionistischer vor: In den vergangenen drei Jahren veranstaltete sie die „Nachttanzdemo“, die sich für die Wiedereroberung der Stadt durch die Bürger*innen einsetzt. Bereits 2011 hatte die Aktionskampagne eine leerstehende Schule in Duisburg-Laar besetzt, wurde aber nach kurzer Zeit wieder geräumt.

- Aktion Für Freiräume Essen (AFFE)
Im Sommer 2013 besetzten Aktivist*innen die Bärendelle, eine leerstehende Hauptschule in Essen-Frohnhausen, um dort ein Autonomes Zentrum aufzubauen. Nach einer Blitzräumung Ende Juli entwickelten sich aus dem Plenum Bärendelle verschiedene Gruppierungen: So die Bürgerinitiative Bärendelle (BiB) und eben auch die Kampagne A.F.F.E. Während sich die Bürgerinitiative weiter für eine Nutzung der Bärendelle einsetzt, will A.F.F.E als aktionistische Kampagne standortunabhägig ein autonomes Zentrum etablieren.




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