3 neue short stories von Rüdiger Saß

Dienstag, 3. Dezember 2019 um 20:16 - futziwolf

Im Keller des Kometen
Der Wurm
Siebzehn Brandherde


 

Im Keller des Kometen

Tohu Wahbohu ist der Mann, der tote Ratten tanzen lässt, eine Triebnatur, die immer eine Handbreit Wodka im Glas hat. Tohu späht über eine Handvoll Crack- und Kokaköpfe hinweg, die an einem E-Joint ziehen wie Erstickende nach Luft japsen. In einer Ecke der Bar sitzen Opfer seiner Lust: ein Arsch fetter als der andere, die Fahndungsliste rauf und runter. Herr Wahbohu wanzt sich an die späten Mädels ran. Sein Sprechen ein Rülpsen, ein Gewürge, ein klapperndes Schutzblech. Es gibt nur zwei Arten der Kommunikation: präcoitales Gelaber und postcoitales Gebrabbel. Fötzchen one-two-three-four fühlt sich angezogen, Madame Kreischauf aber schreit: „Hau ab, du stinkst!“ Tohu glättet die Wogen des Widerspruchs, indem er die Mädels mit Feuerwasser flutet. Sie verlassen den sicheren Hafen der Nüchternheit und schlingern auf die aufgewühlte See der Trunkenheit hinaus ...

Als unsere Hauptfigur die Welt wieder mit nüchterneren Augen sieht, liegt Fötzchen one-two-three-four neben ihr: bleich und blutig, von oben bis unten aufgeschlitzt und ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Als er die Leichenteile später dem Fluss übergibt, beschließt Herr Wahbohu, sich vom Suff nicht länger die Hand führen zu lassen. Doch gesagt ist leichter als getan. Schon am Abend stolpert er mit einem Glas in der Hand durch die Kaschemme seines Vertrauens und späht nach Opfern seiner Lust. Nach drei, vier Schnäpsen zappelt Madame Kreischauf in seiner Hand. Gut möglich, dass sie zu oft nach ihrer Freundin, nach Fötzchen one-two-three-four gefragt hat, gut möglich, dass Tohu Wahbohu diese fruchtlose Fragerei auf die Nerven gegangen ist. Fakt ist, dass Madame Kreischauf am nächsten Tag bleich und blutig neben ihm liegt, von oben bis unten aufgeschlitzt und ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Als er die Leichenteile später dem Fluss übergibt, beschließt Herr Wahbohu, sich vom Suff nicht länger die Hand führen zu lassen. Doch gesagt ist leichter als getan. Schon am Abend stolpert er mit einem Glas in der Hand durch die Kaschemme seines Vertrauens und späht nach Opfern seiner Lust …






















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Der Wurm

Ich lag auf einem Bett - war es meins? - von Überflüssigkeitsgefühlen erschöpft, von einer Last, einem Kreuz, das zu tragen meine Kräfte überstieg.

Die Sonne fiel in feinen Streifen durch die Jalousie. Ohne zu wissen, warum, wie fremdgesteuert ließ ich Bett, Treppe und Tür hinter mir. Ich trat aus meiner Welt, aus meinem Schneckenhaus heraus auf den pochenden Puls der Zeit. Himmel und Häuser tanzten. Sie wechselten ihre Positionen. Ohne Ziel trieb ich umher. Ideen wehten wie Herbstlaub umher. Mit einer Kettenreaktion sprengten sie mein Hirnlabor.

Der Schlachter zwang mich, anstatt der verlangten Schweineinnereien Rinderhirn zu kaufen; mit ein, zwei Sätzen hatte er mich abgefertigt, er und die Telleraugen wartender Kunden, die auf mich wie auf einen Aussätzigen starrten. Atemstocken, Schwindel, Schwitzen, Achterbahngefühle. Übelkeit schnürte mir die Kehle zu. Es hat nicht viel gefehlt, und ich hätte mich übergeben. Ich warf Geld auf den Tresen und flüchtete, von Schuldgefühlen gepeitscht. Das Hirn, das Rinderhirn, hatte ich vergessen.

Ich schlich, zu Boden blickend, Hauswände entlang, ich krebste weniger belebten Seitenstraßen zu, mit schwitzenden Händen und einem Herz, das die Rippen zu zerschlagen drohte. Lange würde ich das nicht mehr aushalten. Schon stachen die Bauchschmerzen wieder zu.

Ich blickte in den blauen, den wunderblauen Himmel und wünschte, ich wäre tot. In den Straßen richteten sich Riesen aus Stahl, Glas und Beton auf. Sie streckten sich, sie blähten sich auf, schreiend und zähnefletschend.

Es regnete in Silbersträhnen, und der Himmel schmückte sich mit einem Regenbogen. Tropfen verliefen sich auf meiner Haut. Auf meinem Weg in den Tod schwebte ich die Straßen mit den Riesen aus Stahl, Glas und Beton entlang.

In den Schaufenstern fraßen Modepuppen Menschen. Während sie kauten, folgten sie mir mit ihren Augen. Ich lief, ich floh, so schnell ich konnte, den Tod auf den Fersen; ich spürte seinen kalten Atem, seine kalte Faust im Nacken. Andernorts heiter bis wolkig mit Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Ich tastete zur Tür, zu irgendeiner, dann stieß ich sie auf und schoss. Die Schreie der Überraschten erstickten im Blut. Ich stand in der Tür und würdigte mein Werk: verzerrte, ungelenke Leiber, als ob ihnen das Genick gebrochen wurde, übereinander, nebeneinander, durcheinander. Und überall das Blut. Dann schoss ich von neuem. Die Kugeln bohrten sich in das schon tote Fleisch. Sie warfen die Leiber übereinander, nebeneinander, durcheinander. Und überall das Blut.

Plötzlich fand ich mich in der Mitte eines Hofes wieder, in einem Innenhof, dessen Seiten ein Hufeisenhaus säumte, eine backsteinerne, vielfenstrige Fabrik. Obgleich sich niemand sehen ließ, fühlte ich mich beobachtet, ich spürte viele Augenblicke. Melodien spielten auf, aus allen Richtungen gleichzeitig, Tausende tanzende Töne, vertraut wie ein Freund, der mir nach vielen Jahren wieder begegnete.

Mir nichts dir nichts stand ich in einer in fahlgraues Licht getauchten Halle. In ihrer Mitte hockte eine Treppe. Sie lockte in ein Obergeschoss, das aus kreuz und quer verlaufenden Stegen bestand, Geländerlaufstege, gestützt von einem Pfeilerwald, eine Wirrnis von Stegen und Stützpfeilern. Auch hier Musik, tanzende Töne. Ich hüpfte wie ein Astronaut in der Schwerelosigkeit, Sätze bis unter die Decke, am Pfeilergewirr vorbei. Ich zog meine Kreise, wie in Zeitlupe, glücklicher als alle Götter, müheloser als ein Wasserfall.

Ich merkte zu spät, dass sich der Raum mit Menschen füllte, die in kleinen Gruppen beieinander standen. Es waren Menschen mit verschwommenen Gesichtern, Menschen, die sich nicht bewegten, Menschen, die keine waren. Plötzlich standen sie da - wie Schaufensterpuppen. Ich sprang an ihnen vorüber, sah, wie ich neben ihnen den Boden berührte und wieder abhob.

Flutlicht überfiel den Raum. Die Menschen, gerade noch reglos wie Puppen, begannen umherzuhasten, von Gruppe zu Gruppe, von Knäuel zu Knäuel. Sie schwatzten ohne Pause, Punkt und Komma, zuerst murmelnd, dann immer lauter, bis der Geräuschpegel dem eines Wildwassers glich. Ich stürzte und rollte mich zur Seite, sonst hätten mich Gestikulierende zertrampelt, ohne etwas zu bemerken. Ich tastete die Wände entlang, ich tappte irgendeinem Ausgang zu. Dann flüchtete ich durch Korridore, durch lange, weiße Flure, die Tresortüren voneinander trennte.

Noch ehe Zeit zum Luftholen blieb, wurden schwere Schritte laut. Sie gehörten vier, fünf Kerlen, die es auf mich abgesehen hatten. Ich raste die Gänge entlang, wuchtete eine Stahltür nach der andern auf ... Ich stolperte, stürzte, konnte nicht wieder aufstehen. Die Meuchler ließen Messer aufblitzen. Die Messer zuckten, sie sausten auf und nieder - Glück gehabt: nur ein Traum!

Ich drückte auf den Knopf mit dem E in der Mitte, und der Fahrstuhl beförderte mich ins Erdgeschoss. Die Tür öffnete sich, und ich stellte mich auf ein Fließband, das mich zu meinem Auto brachte. Nach einer Stunde Fahrtzeit war ich auf dem Jahrmarkt.

Ich stieg aus dem Wagen und stellte mich wiederum auf ein Fließband. Davon gibt es so viele, dass sich meine Beine mit der Zeit in Streichhölzer, in Fahrradspeichen verwandelt haben. Ich steckte eine Münze in den Einwurfschlitz einer Jahrmarktsbude. Ich rollte weiter. Dann durfte ich mir einen Apfel vom Tresen nehmen, einen Apfel am Stiel. Diesen wiederum musste ich nach einigen Metern in einen Topf mit roter Tunke tauchen: Fertig war der Liebesapfel.

An einer gegenüberliegenden Bude drängten sich Menschen vor einem Automaten. Nachdem dieser mit Geld gefüttert worden war, schnellte eine Stahlfaust aus ihm hervor. Sie zertrümmerte den Leuten das Gesicht. Die Bude hieß Im Land des Regenbogens. Dort war der Andrang besonders groß.

Jemand bat mich um Geld. Ich blickte zu Boden und hetzte weiter. Alle starrten mich an. Sie wussten, dass ich nichts wusste, dass ich umherirrte ... Ich ging, das wusste ich. Ich flog, das wusste ich. Ich zischte dahin zwischen Kannibalen, zwischen Robotern und Richtern. Mir war schlecht. Am liebsten hätte ich gekotzt, bis ich in der Grütze erstickt wäre.

Wenn es schon sein muss, dann dort, wo es nicht auffällt. Ich hasse Selbstmörder, die aus ihrem Abgang ein Spektakel machen, besonders die, die möglichst viele mit in ihren ganz persönlichen Tod hineinzureißen versuchen. Nein, ich gebe niemand die Schuld, außer ... mir selbst. Ich will aus mir keine Moralleiche machen, die gut sichtbar im Stadtpark hängt, oder - nach dem Sprung vom Dach - auf Straße und Fassaden klebt und schreit: „Seht her, ihr Schweine! Das ist euer Werk, ihr habt mich dazu gebracht.“ Derlei Abgänge liegen mir nicht.

Mein letzter Weg geht hinaus, dorthin, wo ich herkomme: in den Wald, in die Wiege Wald, mein grünes Grab. Ich gehe weiter, obwohl es regnet. Mein altes Leben habe ich abgelegt wie ein schmutziges Hemd. Zum Kampf keine Kraft mehr, zum Kleinbürgerglück keinen Mut. Das Leben habe ich nie verstanden. Alle scheinen auf etwas zuzulaufen, sie hetzen Fata Morganen hinterher, Trugbildern in ihren Köpfen. Und alle scheinen auf etwas zu warten, doch ich finde keinen Sinn darin. Warten auf Enttäuschungen, auf den Tod.

Gestern guckte ich noch - wie so oft - aus dem Fenster, ich starrte in den Hinterhof, denn das war das Dasein, dachte ich. Plötzlich begann sich das Lagerhaus auf der andern Hofseite im Regen aufzulösen. Wie eine Sandburg am Strand, zu nah am Wasser gebaut. In meinem Hof meinte ich die Zeit, wenn schon nicht aufhalten, so doch dehnen zu können. Ich spürte ein Quäntchen Wahrheit, an schmutzigen Fassaden klebend, versteckt in den Rissen der Wände, hinter bröckelndem Putz, auf unkrautüberwuchertem Gelände. Dort gab es nichts Überflüssiges, keine fragwürdige Ordnung, keine Kategorien, keine Kasten. Das Leben zeigt im Verfall sein eigentliches Gesicht, fern allen Zerdenkens und jeder Logik. In meinem Hinterhof herrschte nicht die betäubende Betriebsamkeit großer Plätze und Straßen, eine Geschäftigkeit, die letztlich ins Leere läuft. Er diente nicht als Kulisse einer Komödie, der Tragikomödie des menschlichen Lebens. In meinem Hinterhof legte sich die Zeit über die Dächer, schlief ihren Rausch aus, nackt und ungeschminkt. Alles schien verständlich und unverständlich zugleich. Und ich war überflüssig, fehl am Platz, wie ein Astronaut in einem Westernfilm.

Und es dämmert bereits, als ich den Wald erreiche: aufgeweichter Boden, lehmverschmierter Laubteppich, schwarze, vor Nässe glänzende Baumgerippe, sich in Wind und Regen wiegend.

Ich laufe ins Nichts, um mit dem Zufall das Schicksal auszulachen. Ich fühle Unvertrautes: Geborgenheit. Ich spüre das ganze Gewicht, die Leichtigkeit des Daseins. Ich bin Regisseur und Hauptdarsteller meines eigenen Films. Ich genüge mir auf einmal!

Ein verfallendes Haus im Zwielicht, ein Haus wie eine Totenmaske. Durch verwilderten Garten, über eine knirschende Türschwelle geht es hinein. Der Moosteppich auf den Dielen gibt unter meinen Schritten nach. Eine Treppe führt ins Obergeschoss.

Im Festsaal strahlen Kerzen von den Kronleuchtern. Die Gesellschaft lacht, ein Quartett spielt auf. Eine Frau fordert mich zum Tanz auf, eine Schönheit mit schwarzen Haaren, mit roten Lippen ... Wir drehen uns bis zum Rand der Besinnungslosigkeit, wir tanzen, bis ich auf dem Balkon stehe und begreife. Ich sehe Spinnweben, ich sehe Schmutz. Ich rieche Dreck und Fäulnis und befestige den Strick am Geländer ...































 

Siebzehn Brandherde

1. Ielitrup, ein Mann mit drei Gesichtern. Eins klebt vorn am Kopf, die andern in der Hose. Ielitrups Backen tragen Visagen mit allem Drum und Dran: mit Augen, Nase und Ohren, mit Stirnfalten und losem Mundwerk. Sie heißen Proll und Prall. Sie furzen auf Friedhöfen, lästern und pöbeln in Kinos, Theatern und Warteräumen, oder sie röcheln, stöhnen und seufzen an Kassen, in der Straßenbahn, überall.

2. Eines Tages verlangt Ielitrup vom Arzt, die Gesichter rauszuschneiden. Dr. Derwisch erschreckt, als ihn Proll und Prall auslachen. Was tun? Dr. Derwisch befragt zuerst den Papst, dann Wladimir Iljitsch Uljanov, dann das Nabelorakel. Zuletzt schickt er Ielitrup ins Abseits.

3. Ielitrup stolpert durch die Nebel der Angst, durch die Stromschnellen der Unsicherheit. Eines Morgens wacht er auf und weiß, dass er altert und verstaubt. Milliarden Menschen wachsen nach. Sie bevölkern Straßen und Cafés, Gehirne und Gespräche. Ielitrup schweigt. Er senkt Blicke, Blutdruck und Begierden. Eines Stuhlgangs beichtet er Proll und Prall seine Not.

4. Über Nacht flackern neue Brandherde auf, neue Schreckschüsse: Aus Bauch und Eichel wachsen Ielitrup Großmuttergesichter, Omafratzen. Proll und Prall taufen sie Rammbar und Normalnull. Sie sollen sich noch näher kommen ...

5. Ielitrup ist kein Mann großer Worte. Er sucht sie nicht, folgt ihnen nicht, findet nichts. Proll hingegen lungert in jedem Wort- und Wissenswinkel herum. Er studiert Schlüsselanhänger und Fotoalben. Prall sammelt Briefmarken, Salatköpfe und Geschlechtskrankheiten.

Armer Ielitrup! Da kann ihn sitzen sehen, wer will und denken, was er will. Währenddessen versinkt er in der Welt der Bildschirmröhre. Dann und wann dreht er sich, seinen Gesichtern umzublättern, aufzuwarten, vorzulegen ...

6. Ielitrup gebiert noch mehr Gesichter: auf der rechten Schulter, an Knien und Knöcheln. Aus einer Rippe ist Stabel, eine Frau, herausgewachsen. Später haben sie geheiratet, obwohl sie dafür von Nachbarn und Friseuren geschnitten werden.





























7. Ielitrup und Stabel kriegen viele tausend Kinder. Sie zeugen sie in Eimern, im Suff, in Därmen, Blasen und Reagenzgläsern. Etwa dreißig überleben die ersten Jahre. Die Hälfte davon erfreut sich schwacher Sinne. Den andern fehlen Glieder hier und da. Mit Gesichtern sind sie gesegnet, mit Glück hingegen nicht. Wo ein Unterarm fehlt, lugt ein Haselnusshirn hervor. Dort, wo Siamesen getrennt werden, lachen verschwitzte Boxerfressen.

8. Bald wird die Wohnung zu klein, und Familie Zuckluft zieht aufs Land: ins Hühnerhauptdorf Großrohlübbe. Dort ziehen Ielitrup und Stabel mehrgesichtige Tomaten, Gurken und Gecken. Letztere versprechen dem Rhabarber Ruhm und Ehe, wenn sie herüber kämen und ihnen Schatten schenkten.
Ielitrup und Stabel haben gut lachen. Sie züchten Glaubensglibber, Eingeweidewürmer und Sinnestäuschungen, und sie hegen sie in Sinnklammern, in Worthülsen, in Sprachblasen.
Und sie haben Gäste: einen Wertesee und eine Erkenntniskeule. Aber auch der große Mumpitz, Harnfried Schwankplanken, und seine Jungfrau Maria sind im Hause Zuckluft gern gesehen. Dort gehen sie verloren.

9. Winde wehen. Sie holen Luft für den nächsten Zug, für Anschlusszüge ins Unendliche. Ielitrup geht mit dem Wind und kehrt zurück. Zuerst. Er spürt seine Zeit kommen, er spürt sie im Schritt. Es klingt wie Klorauschen, wie Schlüsselschlecken. Der Siechling blickt zurück: auf Proll und Prall, Rammbar und Normalnull, Butzemann und Wommama, Reizarm und Neuwarm und wie sie alle heißen. Alle Gesichter reden durcheinander. Sie schwadern, schwafeln, schwadronieren. Ielitrup hört zu. Augenblicke fahren über Land, dann stürzt Ielitrup vom Melkschemel. Alles Summen, alles Rauschen verstummt.

10. Stabel dreht und wendet ihren Gatten mit dem Fuß. Dabei bespuckt sie viele Fratzen. „In wen von euch bin ich verliebt gewesen?“ Unter der lachenden Stalllampe schillern Schepperfliegen wie Silberfische, wie Kotkastanien oder Kellerasseln. Auch Stabel lacht. Sie hat es sich erstritten und erarbeitet: mit zwei Flaschen Korn und zweihundert Zigaretten am Tag.





























11. Dies ist nun Stabels Geschichte. Sie folgt der Familientradition und stürzt sich in eine Schlangengrube, dann in eine Liebelei mit ihrem ältesten Sohn Pupfried. Frageratten zernagen Stabels Hirnhaut. Sie zählt Hundertzwanzig Jahresringe, Lebensbänder, die sich um ihr Herz gruppieren. Sie ist also jung genug, um noch mal von vorne anzufangen. Wie aber neu beginnen mit dreißig Kindern und hundert Gesichtern? Sie erinnern an Ielitrup. „Werfen wir den Ballast über Bord!“, schlägt Pupfried vor. Er reißt sich eine Axt aus den Rippen. „Du nimmst die Idioten! Ich die Krüppel.“ Der Großgrob hinkt davon - er trägt Beinersatz - um Greuelgeister zu beschwören. „Ich hasse diese Menschenmilben“, heißt sein Mantra.

Häupter hauchen ihren Hälsen Abschiedsarien, sie spalten sich oder starten eine Karriere als Neuntausenddreizehnteilepuzzles. Blut, Gedärm und Hirne treten an den Tag. Auch Erstickte finden sich in Haus und Hof, Fensterstürzler, Gepfählte und Gehäutete.

12. Bis zum Abend haben sich die Schlächter ausgetobt. Dann hüllen sie ihr Tagewerk in Flammen. Die Vergangenheit löst sich in Rauch auf. Die Feuerteufel freuen sich. Sie feixen, wenn Leiber in den Flammen zucken. Dann sei noch Leben drin.

13. Ein letzter Stolperstein versperrt den Blutweg in die Freiheit: Pupfried. Wie sein Vater trägt auch er Gesichter, mehr als Stabel ertragen kann. „Du bleibst hier!“, säuselt sie. Die Feuerfee hält eine Fackel an seinen Beinersatz. Pupfried fängt Feuer und verbrennt. Dann macht sich Stabel aus dem Staub. Sie schwingt ihre Phönixflügel, sie schwingt sich auf zu neuen Ufern.

14. Stabel in der Ameisenstadt. Die Provinzpustel schwankt auf der Schwelle eines neuen Lebens als altersgeile Blas- und Bückhoffnung. Ihre Künstlernamen: Analmaus, Plastikpüppchen, Fickedelia Spitzenreier.

15. Unter Stimmungen begraben, liegt Herr Hierso Daso auf der Matratze. Fickedelia, schrittlings auf ihm hockend, macht Anstalten und Bewegungen. Sie lächeln. Dem Daso stöhnt es aus dem Hals heraus. Seine Steckrübe schmatzt. Er knetet Fickedelias Brusthautlappen, und zuletzt spritzt sein Spritzstift in ihr Gesicht.

16. Herr Hierso Daso kommt und geht. Dann kommen Himbeertoni und Leckerdietrich, Bregen Björnblas und Du Fußkrank. Manchmal kommen sie alle gleichzeitig. Und gehen wieder. Gehen duschen, dann nach Hause. Zurück im Scheinwerferlicht bleibt Stabel Zuckluft. Allein. Der Spielleiter glättet Hirn, Hals und Hose. Die Kameraasseln wischen sich Dreck, Scham und Schande aus den Augen.

17. Vorm Premierenkino stoppt eine Phalluslimousine. Fickedelia Spitzenreier flutscht heraus. Jubelstürme fegen sie über rote Auslegeware hinweg. Vor dem Portal dreht sie sich, lächelt und lüftet ihren Pelzmantel. Um ihre Schultern hängen Patronengurte, von der Hüfte Goldrevolver. Diva Spitzenreier zieht die Waffen und feuert auf ihre Fans. Begeisterungswellen brausen auf. Die Leute rufen: „Delia, Hase, mach mich alle!“, oder „Nein, mich zuerst.“

18. „Bitte“, fleht eine Pubertierende, „schieß mir in die Muschi!“ Fickedelia tut ihr den Gefallen. Ein paar Mal schiebt sie ihre Waffe rein und raus. Dann drückt sie ab. Schreckorgasmen schütteln das Volk. Die Leute geifern: „Nimm mich, Ficke! Gib mir Saures!“ Und Fickedelia gibt ihnen, was sie wollen. Die letzte Kugel aber ist für sie.





























 

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