Crucial Response Label Preview 2011

Mittwoch, 30. März 2011 um 18:53 - futziwolf
TIEBREAK: s.t. 7“
STRIKE FIRST: REQUIEM FOR THE AFTERMATH LP
ABUSIVE ACTION: s.t. LP
NO DENIAL: Soundtrack of decline LP

TRUE BLUE: Ice 7”
OVER THE LINE: s.t. 7“

das Label CRUCIAL RESPONSE:
Vor über zwanzig Jahren hat sich der Peter mit seinem gerade gegründeten Label Crucial Response ganz dem Hardcore verschrieben und er ist diesem Genre bis heute ohne Frage treu geblieben. Dabei lag das Hauptaugenmerk dieses Oberhausener Nicht-Alkoholikers (wie hält man das in so einer Stadt bloß aus?) von Anfang an auf der damals noch wachsenden Straight-Edge-Szene und ähnlich wie das großartige Dischord-Label (oder heute No Idea) konzentrierte er sich vor allem auf Bands von Bekannten und Freunden, die allerdings in seinem Fall in der Mehrzahl nicht aus dem Oberhausener Umland kamen. (This is Oberhausen, not Gainesville!) Sieht man von einigen transatlantischen Signings, wie etwa BROTHERHOOD, YOUTH KORPS und GET THE MOST, ab, muss man wohl festhalten, dass Crucial Response auf diese Weise maßgeblich zum Erblühen einer eigenen, europäischen Straight Edge-Szene beigetragen hat, insbesondere in den benachbarten Niederlanden. Ebenso lässt sich konstatieren, dass den über 80 Veröffentlichungen auf die es dieses Indie-Label bisher gebracht hat, eine gewisse inhaltliche und musikalische Vielfalt trotz aller Gemeinsamkeiten nicht abgesprochen werden kann. Bevor ich nun aber auf die einige dieser Scheiben näher eingehe, sei noch erwähnt, dass sie nun zum größten Teil noch einmal in außerordentlich schicken Siebdruckcovern direkt beim Label zu beziehen sind. Und dass diese handgemachten Auflagen in der Regel auf 100 bis 200 Exemplare limitiert sind. Für Interessierte bedeutet das: Ranhalten!


TIEBREAK: Stand Hard 7" (Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse




[review:]
TIEBREAK, ein sportlicher Name und im Original auch ein nicht unsportliches Cover. Ein junger Mann in unauffälliger, bewegungsfreundlicher Freizeitkleidung schreit, einen Fuß auf der Monitorbox, mit vorbildlicher Körperspannung in ein Mikro. Auch wenn hier kein Bassist zu sehen ist, der beim Musizieren springt als gäbe es auf dieser Welt keine Bänderdehnungen oder verstauchten Knöchel und keine Orthopäden, die sich durch so was ihre Sportwagen finanzieren (demnäxt hier besprochen: SUBJECT TO CHANGE), ist klar worum es geht. All diese Bilder, die, insbesondere in der Straight-Edge-Szene, meist im schönsten Schwarz-Weiß hunderte von Plattencovern zieren, drücken vor allem eines aus: Eine unbändige Energie! Mit den nihilistischen, oft auch tendenziell selbst zerstörerischen Ausbrüchen des frühen Punk teilen diese Bands zwar noch die zur Schau gestellte Aggressivität. Doch soll die Wut nun bereits kanalisiert und zu etwas Positivem genutzt werden. Von einem Körperkult im Sinne der Bodybuilder kann hier sicher nicht die Rede sein und diesen schlanken Jungs in Army-, Schlabber- und manchmal auch Trainingsbuchsen irgendwelche Leni-Riefenstahl-Bezüge anzudichten wäre nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern auch eine Gemeinheit. Nichtsdestotrotz scheint das gerade erwähnte „Positive“ im Wesentlichen aus drei Dingen zu bestehen, nämlich sich physisch und geistig fit und rein zu halten (Keine Drogen, kein Alkohol, keine Kippen!),  laute Musik zu machen und schließlich sein Physisch-und-geistig-fit-und-rein-Sein zu dieser Musik zu feiern. Ähnlich wie viele Oi-Bands betonen dabei auch Straight Edger immer wieder ihre Männlichkeit, ihre Kampfbereitschaft und ihre Ehrlichkeit.

TIEBREAK aus Norwegen erklären Spaß („Fun“) für sich auf der vorliegenden 7“ von 1998 dann auch folgendermaßen: „Dance hard, yeah. Fight as fucking brothers. Won´t turn my back. I´ll shout it face to face. Reach out to embrace. This is the best of times . Seems like there is no end. `No last scene of all´. It´s `loud and clear´, it´s about `united blood´. This is the best of times . The fun will make it stay.” Nur um Missverständnissen vorzubeugen, nein, das mit dem Blut ist nicht völkisch gemeint, es geht hier wohl eher um die bildliche Beschreibung einer selbst gewählten Familie. Dennoch kann mensch an Kausalzusammenhängen wie „I´m a man, I´m not afraid to face up.“ (aus dem Song „Not afraid“) natürlich berechtigterweise Anstoß nehmen. Zum Beispiel: Wie sollte die Zeile denn lauten, wenn der Texter eine Texterin wäre? „I´m a woman, I´m afraid to face up.“?

Zumindest was den Aerobic-Aspekt von Straight Edge betrifft muss auf der anderen Seite jedoch bedacht werden welch desolates (und debiles) Bild Teile der Punkszene bereits 1981 boten, als MINOR THREAT mit dem hinlänglich bekannten Song diese dezidiert cleane Bewegung in ihr nüchternes Leben riefen. Und auch in den 90-er Jahre waren die hoffnungslosen Besoffskis, die bunthaarigen Junkies und Speednasen nie um Nachwuchs verlegen. „Straight Edge“, von MINOR THREAT sicher noch als Korrektiv innerhalb einer, bzw. „der“ Szene gedacht, entwickelte sich so zu einer eigenen, die sich zwar noch auf den alten Hardcore bezog, von dessen Punkwurzeln aber oft nicht mehr viel wissen wollte. Die Forderungen nach Reinheit und Ehrlichkeit richteten sich also zum einen gegen eine zutiefst verlogene, verkommene Gesellschaft und zum anderen gegen den Selbstbetrug jener Punx, die ihre Drogenabhängigkeit und das draus resultierende, unkontrollierte, oft tatsächlich asoziale Verhalten als Widerstand betrachtet wissen wollten. Die immer wieder in den Vordergrund gestellte Fitness schien einen, den Fusel- und Heroin-Wracks unbekannten, Zustand der Dauermobilisierung zu signalisieren. Allerdings stellt sich hier zu Recht die Frage wofür denn da eigentlich gekämpft werden sollte.

Kommen wir zurück zu TIEBREAK. Während MAN LIFTING BANNER als Kommunisten klar Stellung bezogen und in ihren Texten die politischen und sozialen Verhältnisse thematisierten, finden sich auf dieser 7“ keinerlei konkrete Hinweise auf´s Zeitgeschehen, den oder die Gegner oder gar die bessere Welt. Allerdings wirkt das auf dem Kopf stehende Hochhaus, welches auf dem Textblatt zu sehen ist, mit seiner in die Länge gezogenen Spitze tatsächlich wie eine Fixe und zumindest hier darf eine Prise Kapitalismuskritik vermutet werden. Diese Graphik hat der Peter dann übrigens auch für das sehr gelungene Siebdruck-Cover verwendet. Ansonsten geht es textlich eben um Lügner, um die Enttäuschung über falsche Freunde, um das eigene Straight-Sein und den Hass und die Ablehnung, die man deswegen erfährt. Was die Platte nun für mich, neben dem Artwork, noch deutlich über den Durchschnitt hebt, sind schlicht die kurzen, präzisen und außerordentlich knackigen Songs, die aus ihren, in Erwartung der Explosion zum angespannten Kopfnicken einladenden Midtempo-Parts stets auf´s Neue in nicht minder bösartige Hochgeschwindigkeitsattacken ausbrechen. Auch wenn dieses Konzept 1998 schon nicht mehr neu war, so klingt guter, einfacher Hardcore von jungen Menschen, die noch mit Herzblut bei der Sache sind. Dass ein Teil der Erstpressung auf weniger männlich wirkendem, rosafarbenem Vinyl vorgenommen wurde, zeigt  by the way, dass auch diese Band nicht gänzlich humorlos war.  - ATAKEKS


STRIKE FIRST: REQUIEM FOR THE AFTERMATH LP
(Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse




[review:]
Die STRIKE FIRST-LP „Requiem fort the aftermath“ aus dem Jahr 2005 bildet einen schönen Kontrast zur TIEBREAK-Siebener, und zwar sowohl in musikalischer, wie auch in optischer und inhaltlicher Hinsicht. Die buchstäblich gespaltene Gestalt auf dem Coverbild zeigt den alten Kampf zwischen Gut und Böse, hier verkörpert durch einen Engel und einen Teufel, die aus demselben Unterkörper herausgewachsen sind. Am Ende der Beine, an denen sich eine Schlange empor windet, finden sich allerdings keine Füße, sondern in die Erde dringende Wurzeln. Solch eine symbolische Darstellung der Zerrissenheit des Menschen, bzw. der Welt weist natürlich bereits deutlich in Richtung Metal und in der Tat orientieren sich STRIKE FIRST weniger an der alten Schule als vielmehr am New York-Hardcore, bzw. den CRO-MAGS. Entsprechend wuchtig ist der Sound der Platte, der auch Freunden von SICK OF IT ALL gut gefallen dürfte. So gibt es hier folglich einige Mosh-, recht melodische und für Hardcore-Verhältnisse sogar relativ verspielte Parts, die aber insgesamt nicht zu Lasten des Tempos gehen oder das ganze zu einer gar frickeligen Angelegenheit werden lassen, sondern eher die düstere, aber auch wütende Grundstimmung des Albums verstärken und zugleich für Abwechslung sorgen. Das Siebdruck-Cover ziert, passend zum Titel, übrigens ein Skelett, dass eine Harfe hält. Der Tod als Spielmann. Die Texte befassen sich dann erfreulicherweise kaum mit der Szene, schon gar nicht mit dem Thema „straight edge“. Stattdessen geht es in Songs wie „In Fear of tomorrow“, „The Aftermath“ oder „Moral Decay“ um eine Welt, die von Rassismus, sozialer Ausgrenzung, Gewalt, Macht und Profitgier geprägt ist und so Stück für Stück zerstört wird. Stärke als vermeintlich männliche Eigenschaft oder körperliche Fitness spielen hier keine Rolle. Stücke wie „No end in sight“ oder „Sick and tired“ erzählen eher vom Kampf des Individuums mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten und seinem Leben darin, von Tiefschlägen und der Kraft trotzdem weiterzumachen. Im Gegensatz zu einigen anderen, nicht nur Straight-edge-Hardcore-Bands kennzeichnen STRIKE FIRST die Schwachen und Verlierer denn auch nicht als verachtenswert. Von einem „Selbst schuld!“ ist hier nicht die Rede. Nein, was diese Holländer sich offenkundig wünschen sind Toleranz und Solidarität: „If we could handle our hate and learn to tolerate“ und „can the human race exist as one?“. Freilich bleibt es beim Konjunktiv und einer offenen Frage und der Untergang schwebt stets drohend über allem, doch immerhin, so viel kann ich festzuhalten, geht es auf “Requiem for the aftermath” eindeutig in die richtige Richtung, auch wenn die Texte letztlich relativ unkonkret sind und keine politische Alternative benennen (was ja ohnehin nur äußerst selten der Fall ist).    - ATAKEKS


ABUSIVE ACTION: s/t LP
(Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse



[review:]
Aus der eher sportlichen Ecke kommen wiederum ABUSIVE ACTION daher gesprungen, deren gleichnamige Platte ebenfalls bereits 2005 erschienen und, mit einem ausgesprochen trocken prügelnden Schlagzeug und einem sehr fähigen Schreihals am Mikro, musikalisch ein so kurzes wie fixes Oldschool-Vergnügen im modernen Gewand ist. Das Siebdruckvover präsentiert zwei Adidas-Treter, das weniger gelungene Original ein verschwommenes Konzertphoto. Inhaltlich haben wir hier, ähnlich wie auch bei TIEBREAK, wieder den Gegensatz von „You“ und „I“, also auf der einen Seite die Lügner, Drogenwracks und intoleranten Arschlöcher da draußen (und in der Szene) und auf der anderen das gequälte, gebeutelte, Sinn-suchende aber kämpfende und natürlich straighte „Ich“. Die Grundtendenz ist bei all dem allerdings eine positive. Sowohl Intoleranz als auch der Konsum von Rauschmitteln sind für ABUSIVE ACTION Zeichen einer (vor allem charakterlichen) Schwäche, der aber nicht Hass und Gewalt entgegen gesetzt werden, sondern das gute Beispiel der eigenen Lebensführung. Selbstgerecht? So klingt es vielleicht bisweilen, aber sie waren ja auch noch jung und auf der anderen Seite gibt es schließlich nichts daran auszusetzen wenn Leute auf Drogen verzichten und versuchen andere, mittels Argumenten, von der Selbstzerstörung abzuhalten. Über das Musikmachen, Straight-sein und die Szene hinaus finden sich hier jedoch keine Hinweise auf irgendwelche, vielleicht sogar politischen Ziele der Band. Fazit: Eine sehr sehr nette, in jeder Hinsicht unbedenkliche, aber eben auch vollkommen unpolitische Platte.    - ATAKEKS


NO DENIAL: Soundtrack Of Decline LP
(Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse



[review:]

Auf dem Back-Cover-Photo der NO DENIAL-LP „Soundtrack of Decline“ trägt einer der Beteiligten ja bereits ein CRO-MAGS-Käppi (Schirm natürlich nach hinten, klar) und so gibt´s hier, wie erwartet, mal wieder das volle New-York-Hardcore-Brett mit deutlicher Metal-Kante, das, vielleicht auch durch den kräftigeren Gesang, weniger düster, dafür aber noch um Einiges härter hinlangt als es STRIKE FIRST getan haben. Wer MADBALL, AGNOSTIC FRONT und SICK OF IT ALL mag, wird sich von NO DENIAL also in musikalischer Hinsicht keineswegs schlecht bedient fühlen und wie so oft liegt auch hier in der Kürze die Würze. Das Original-Cover könnte by the way prima als Vorlage für eine schlechte Tätowierung herhalten, die beiden Patronen der Siebdruck-Version hingegen gefallen mir ganz gut. Und für die Szene-Angehörigen: NO DENIAL sind eine Nachfolgeband der legendären MAINSTRIKE (ebenfalls aus Holland), die hier auch noch die gebührende Erwähnung finden werden.

Was mich in Anbetracht des ersten, etwas prolligen Eindrucks, den das Artwork nun einmal macht, wirklich überrascht hat, waren die Texte der Band. „Birthplace, color and strength are no objects to defend/ our gender definition is deviding us all…” heißt es etwa in “Coming to an end”. NO DENIAL wenden sich also nicht nur gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Sie scheinen darüber hinaus auch mit den reaktionären Vorstellungen von Männlichkeit, die z.B. in den Texten einiger, alter „Helden“ aus New York oder Boston durchaus  enthalten waren, nichts an der Mütze (bzw. dem Käppi) gehabt zu haben. Einsamkeit, Zweifel, persönliche Verletzungen, Sinnsuche und das Älterwerden sind Themen, die zum Teil in einem recht finsteren Ton behandelt werden („Open Wound“, „Love Letter“), aber man gibt sich keineswegs hoffnungslos und in einer Welt in der das Leid des Einzelnen und der Tod von vielen für Profit und Macht billigend in Kauf genommen werden, wird Aktivität eingefordert („We should move“), was zunächst bedeutet die kapitalistische Betäubungsmaschinerie zu durchschauen und sich von den suggerierten Bedürfnissen, dem Streben nach immer mehr, freizumachen. „There is enough for everyone´s need/ the problem lies by those with greed/ Consumption is kept artificially high/ when on the other end of the world children die/… / No one dreams but sometimes it seems/ we take comfort in living like machines…”, brüllt der Sänger von NO DENIAL z. B. in “When tomorrow is gone”. Und “Reach out” beginnt mit den Zeilen: “We have to recognize their lies/ false promises that cover our eyes”. Handelt es sich bei dieser Band also vielleicht sogar um eine sozialistische (oder anarchistische)? Ich weiß es nicht. Auch auf „Soundtrack of decline“ wird leider kein taugliches Gegenmodell erwähnt, der Wunsch sich all dem Schlechten zu widersetzen, wird nicht konkretisiert. Hinzu kommt, dass die Grußliste vom Kollegen Big eine gewisse Schwäche für asiatische Religionen erkennen lässt, was ich hier jedoch nicht negativ werten will, da es in den Texten zwar definitiv auch um Moral („instead of taking start to give“) und die menschliche Seele geht („each soul a right to live“), sich aber keine Spur von irgendeinem esoterischen Schnickschnack entdecken lässt. 
- ATAKEKS


TRUE BLUE: Ice 7" (Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse




[review:]
TRUE BLUE wurden ebenfalls gern mit den CRO-MAGS in Verbindung gebracht, erinnern mich aber, nicht zuletzt durch den Gesang und die Songstrukturen eher an die Holländer von NRA, wobei der Sound ein deutlich härterer ist und die Metalanteile im Gitarrenspiel kaum zu überhören sind. Mag der Typ am Mikro auch nicht der hellste Kopf unter der Sonne sein, früher gern mal ungerechtfertigterweise zugeschlagen haben und heute in Interviews seine neue Heimat Amerika als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten preisen (wie reimte ein alter Plastic-Bomb-Kollege vor einiger Zeit: Wer ist so schlau wie´n Schnitzel, Patrick Kitzel), die fünf Songs dieser mit „The ice“ betitelten Siebener aus dem Jahr haben mich musikalisch trotzdem umgehauen. Die Midtempo- und Mosh-Parts und die melodiöseren und schnellen Passagen wechseln mit beeindruckender Leichtigkeit und die Breaks geben den Stücken nur noch mehr Energie. Die Texte fallen dagegen allerdings leider etwas ab. Man hat es nicht leicht, aber kämpft sich durch. Dazu ein bisschen Zivilisationskritik („see the big picture/ no ecological change/ only exploitation and damage“), das war´s. Eine halbwegs reflektierte Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus war offenbar nicht ihr Geschäft. Die Grußlisten der einzelnen Bandmitglieder sind dann auch recht unterschiedlich ausgefallen: Frank dankt u.a. dem XIV. Dalai Lama Tendsin  Gyatso (Fuck Tibet!), während René nicht zuletzt Dr. Martin Luther King und THE CLASH nennt. Alle zusammen finden natürlich den Peter von CRUCIAL RESPONSE, MAINSTRIKE und Konsorten, aber auch die veganen Ökofaschisten von EARTH CRISES gut. Also: Musikalisch eine der besten Veröffentlichungen auf diesem Label, inhaltlich, trotz des Stehaufmännchen-Pathos und der Naturschutz-Attitüde zu unkonkret als das es für eine Verurteilung durch das ZK reichen würde. Und dass EARTH CRISES offenbar auch von Leuten gemocht wurden und werden, die man deswegen nicht gleich als „Nazis“ abstempeln will, zeigt ja die Auseinandersetzung um die T-Shirts dieser Band im Leipziger Conne Island. Ach ja, die aufwendige Gestaltung der Single (Textblatt zum Aufklappen, Beiblatt auf Pauspapier) sorgt natürlich für einen weiteren Pluspunkt. Das Siebdruckcover zeigt eine Rasierklinge, das Original einen Vampirkopf (hatte ich deshalb bei Hören New Wave-Assoziationen?). - ATAKEKS


Over the Line: s/t   7" (Siebdruckcover)
LABEL:
crucialresponse




[review:]
OVER THE LINE sind vermutlich bei Bands wie SS DECONTROL in die ganz alte Schule gegangen, haben dann noch YOUTH OF TODAY und die sich anschließende Youth-Crew-„Bewegung“ mitgenommen und daraufhin beschlossen, dass ihre Musik vor allem eines sein soll, nämlich rasant. Fünf Songs enthält diese sympathische kleine Siebener (1999) und ja, viel schneller kann man die kaum durchprügeln. Gut gemachter und mitreißender Hardcore, so viel steht fest, und die sehr ordentliche Produktion verstärkt den positiven Eindruck noch. Klar, in den Texten steht man mal wieder mit dem Rücken an der Wand und plädiert dafür nie nach hinten zu schauen und trotz allem weiterzumachen und –zukämpfen. Und natürlich wird wieder nicht gesagt wofür eigentlich genau und wogegen. Aber immerhin zeigt man sich in dem Song „In this together“ sehr  tolerant gegenüber Leuten, die nicht Straight Edge sind. Denn letztlich ist Freundschaft für OVER THE LINE ein viel höheres Gut als der gemeinsame Nicht-Konsum von Rauschmitteln und wer wollte da widersprechen?
Übrigens: Straight Edge geht im Grunde auf die simple Tatsache zurück, dass junge Punx in den USA Schwierigkeiten hatten Konzerte zu besuchen und zu veranstalten, weil an den betreffenden Orten der ihnen noch nicht erlaubte Toifel Alkohol ausgeschenkt wurde. Zur Lösung dieses Problems wurde das von Türstehern auf die Hände der Minderjährigen gemalte X, welches den Barkeepern signalisierte, dass diesen Kids nur Milch (oder Cola) eingeschenkt werden durfte und so schließlich „All ages“-Shows ermöglichte. Die jungen Punx, die sich von den älteren, oft als arrogant oder selbstzerstörerisch eingeschätzten, distanzieren wollten, begannen  dieses X mit Stolz zu tragen und erst MINOR THREAT luden den vorvorletzten Buchstaben des Alphabets dann ideologisch auf. Allerdings hatten die etwa zeitgleich aktiven und als aggressiv geltenden Bostoner Bands (SSD, DYS, NEGATIVE FX), genauso wie die etwas friedfertiger und positiver gestimmten, etwas später kommenden New Yorker von YOUTH OF TODAY (oder die popigeren GORILLA BUISCUITS), die allesamt zur Konstituierung dieser (Sub-)Szene beitrugen, stets auch politische oder sozialkritische Texte. Die Entwicklung aus dem Punk heraus war deutlich spürbar. Songs wie „War Threat“ oder „Police Beat“ von SS DECONTROL hätten Anfang der 80-er Jahre ebensogut in der politisch links geprägten und keineswegs drogenfreien deutschen Szene entstanden sein können.

Es gibt sicher noch andere Beispiele, aber an der Band JUDGE, die Ende der 80-er in New York loslegte, lässt sich erkennen, dass sich Straight edge veränderte, letztlich vom Punk weg entwickelte. Hier wurden die Themen vorgegeben, die bald von zig anderen Bands wieder und wieder und oft in bemerkenswert schlichter Weise aufgegriffen (und so irgendwann bestimmend) wurden. Von „früher war alles besser, aber Ihr kriegt mich nicht klein“ bis hin zu den verhassten Drogen, deren Konsum von JUDGE in dem Song „Bringin´ it down“ geradezu mit rassistischer Gewalt auf eine Stufe gesetzt wird. Der sportliche Freizeitlook mit Käppi, weiter Buchse und Turnschuhen wurde populär…

Anyway, OVER THE LINE jedenfalls scheinen zumindest keine rettungslos verbohrten Dogmatiker gewesen zu sein und ihre Musik hat reichlich positive Energie. Das alte Tape, dem irgendein missgünstiger Recorder das Band ein Stück weit herausgezogen hat, macht sich gut auf dem Siebdruckcover und wie immer bei Peters Platten gibt´s auch hier ein Textblatt. Als Schulnote eine gute 2.  - ATAKEKS

labelinfo:



Anschrift:

Crucial Response Records
Von-der-Mark-Str. 31
47137 Duisburg
Deutschland

Phone: +49 (0) 203 455 79 39
Fax: +49 (0) 203 455 79 78
eMail: order@crucialresponse.com
Web: www.crucialresponse.com

Geschäftsinhaber: Peter Hoeren


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