Die Angst vor den Krisen frisst die Demokratie

Dienstag, 17. April 2012 um 08:50 - futziwolf
In der Finanz- und Staatsschuldenkrise wird Demokratieabbau attraktiv
>>> In Sonntagsreden werden sie immer wieder gepriesen, in der Praxis jedoch zunehmend mit Füßen getreten: die so genannten westlichen Werte wie Freiheit und Demokratie. Wenn es wahr ist, dass sich die Stärke einer Demokratie gerade auch in Krisensituationen zeigt, so sieht es derzeit danach aus, als ob es um deren Kraft nicht gut bestellt ist. Schuld daran sind jedoch nicht zuletzt die Politiker in Regierung und Opposition, die sich nur allzugern von den anonym erscheinenden Märkten treiben lassen, um eine, nach den Worten der Bundeskanzlerin Angela Merkel, "marktkonforme Demokratie" zu schaffen. Tatsächlich scheint die Krise für viele eine willkommene Gelegenheit, unbequeme demokratische Mitbestimmung über Bord werfen zu können.
Bisweilen lassen sich selbst Spitzenpolitiker wie Außenminister Guido Westerwelle dazu hinreißen, ganz offen einzugestehen, dass sie den Druck der Märkte, der die Handlungsoptionen der gewählten Politiker immer weiter einengen soll, positiv sehen. So ist Westerwelle der Ansicht, dass es nötig sei, sich die "disziplinierenden Kräfte der Märkte klug zunutze machen, um die Regierungen der Euro-Zone zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik anzuhalten" - sprich: wenn die Finanzindustrie gegen Euro-Staaten wettet, die aufgrund der von derselben Finanzindustrie ausgelösten Krise, die letztlich durch die Bankenrettungen auch die Staatsschulden in die Höhe getrieben hat, in eine finanzielle Notlage geraten sind, dann ist das aus der Sicht Westerwelles ein positives Ereignis. Immerhin eröffnet das die Gelegenheit, mittels drastischer Haushaltskürzungen den Einfluss des Staates zugunsten der Vermögenden weiter zurückzudrängen.
... Mit harten Einschnitten bei den Arbeitnehmern und im "nationalen Interesse" soll in Italien nach deutschem Vorbild ein "Arbeitsmarkt mit größtmöglicher Flexibilität" geschaffen werden. Dahinter steckt eine Standortlogik, die einen Wettlauf um immer billigere Arbeit und immer niedrigere Steuern in Europa und weltweit befeuert. Der Sozialpsychologe Oliver Decker sieht darin eine kaum verdeckte Nationalstaatslogik, die alle unter dem angeblich gemeinsamen Interesse der wirtschaftlichen Prosperität zu sammeln versuche. "Das ist Nationalismus und eigentlich antidemokratisch. Denn es gibt ja gar kein gemeinsames Interesse, weil vom Wohlstand längst nicht alle profitieren", so Decker. Mittlerweile gebe es sogar Stimmen, die behaupten, eine Diktatur sei das Beste was Griechenland passieren könne.
... Endgültig verloren hat die Demokratie Streeck zufolge jedoch noch nicht. Unter anderem dank der Occupy Wallstreet-Bewegung wachse bei den Mächtigen die Angst vor der Unvernunft der Massen, die auf ihre Bürgerrechte bestehen, obwohl man ihnen immer erklärt hat, dass sie diese nicht verdient hätten. Jedoch solle man nicht darauf hoffen, die herrschende Expertokratie mit Argumenten zu überzeugen, immerhin hat sie ihre Politik selbst für alternativlos erklärt. Für Streeck kann nur noch der Druck der Bevölkerung helfen, die Demokratie zu retten: "Es muss ein großer Unmut aufkommen." >>> telepolis

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