"Wo es schmerzt, da greift man hin" (41)

Mittwoch, 16. Januar 2013 um 00:55 - monsignore genickschuss
Auch du, Michael Haneke!
„Funny Games“ war, der eine oder die andere wird sich erinnern, ein widerlicher Streifen, in dem zwei sadistische, junge Männer eine Kleinfamilie ermorden. Dieses Grauen einmal durchzuspielen (und als Zuschauer durchzustehen) war, so nicht nur ein Freund von mir, allerdings ungeheuer wichtig, da es Regisseur und Drehbuchautor Haneke offenbar gerade mit diesem Plot (und seiner bis dahin selbstverständlich einzigartigen Umsetzung) gelungen ist wie keinem Zweiten, die voyeuristischen Erwartungen der Zuschauer bloß zu legen und in eindrücklicher, wenn nicht unvergesslicher Weise laut über die Darstellung von Gewalt im Film nachzudenken. Blablabla. Blablabla.
Wie keinem Zweiten? Na gut, ehrlich gesagt gab es durchaus Vorläufer. Truman Capotes „Kaltblütig“ behandelte allerdings einen ganz realen Mordfall (ebenfalls eine Familie und zwei Täter) und wurde zwar verfilmt, war aber noch nicht durchdrungen von jener scharfen Medien- und Gesellschaftskritik, die viele Jahre später in Oliver Stones „Natural Born Killers“ als Rechtfertigung für einen psychedelisch angehauchten Rock´n Roll-Horror-Trip mit Kultfilm-Potential herhalten (und den jugendlichen Kinogängern am Arsch vorbei gehen) musste. Das Skript zu der kunterbunten Mörderballade lieferte by the way Quentin Tarantino, der Liebling aller postmodernen Zeichen- und Zitatsucher, dessen Beitrag zur Entpolitisierung des Kinos bisher nur von wenigen (u. a. Vanessa Redgrave) gebührend gewürdigt wurde. Doch auch Stones/ Tarantinos Gewaltexzesse waren auf Dauer nicht genug. Das Publikum gierte nach mehr Entsetzen, Gesellschaftskritik und Selbstreflexion und so wundert es nicht, dass „Mann beißt Hund“ 1992 für eine Weile den „Gesichtern des Todes“ als Underground-Video für 16-jährige den Rang ablief. Am bildungsbürgerlichen Mainstream ging der dreckige kleine Killer-Streifen aus Belgien jedoch weitestgehend vorbei. Prinzipiell prima also, dass 1997 ein kluger Österreicher einen neuen Versuch unternahm das Thema in die Arthaus-Kinos zu bringen. Jenem gut situiertem Cineasten-Pack, das seit Jahren nicht müde wird auch den letzten Serienmörder-Folter-Monster-Scheiß noch zu großer Kino-Kunst zu erheben, konnte so ein Schlag in den Magen sicher nicht schaden und wer war besser geeignet ihn zu führen als der Pazifist Haneke.

Da „Funny Games“ an den Sehgewohnheiten meines Freundes allerdings überraschenderweise letztlich so wenig geändert hat wie an den brutalen Scheußlichkeiten mit denen uns Glotze und Filmbusiness leider immer noch täglich bombardieren, war es naheliegend vor einer Weile noch ein Remake dieses außerordentlich intellektuellen Schockers für den amerikanischen Markt zu drehen. Doppelt hält bekanntlich besser und vielleicht würde die gequälte Fresse von Tim Roth der Debatte ja neues Leben einhauchen. Okay, dieser Tim Roth spielt außerdem noch die Hauptrolle in einer extrem patriotischen, das Soldatentum und die Todesstrafe verherrlichenden Krimi-Serie („Lie to me“), aber das muss den Herrn Haneke gewiss nicht stören und hat mit seinem Film natürlich nicht das Geringste zu tun. Dass Hitler sich bisweilen an Farben und Pinseln vergriff, kann schließlich nicht bedeuten, dass Picasso darauf hätte verzichten müssen. Und was ist ein Schauspieler denn anderes als ein Mittel zum Zweck (s.a. Lars von Tier u. Kiefer Sutherland)? Und der Zweck, der Zweck heißt Kunst… So viel zur Vorgeschichte.

Nun, mindestens einen bedeutenden Film später, bekommt der weißhaarige, kluge Herr Haneke jedenfalls einen goldenen Globus für sein jüngstes, augenscheinlich gewaltfreies Werk über Alter, Krankheit und Liebe und Gott weiß, es wäre mir egal und vielleicht würde ich, der ich gar nicht so furchtbar nachtragend bin, wie manche von Euch glauben mögen, mir den Streifen sogar anschauen, aber…
„Ja was denn? Was gibt´s wieder zu meckern?“, höre ich Euch fragen.
Na ja, nicht viel. Nur eine Kleinigkeit zunächst, für Euch möglicherweise kaum von Bedeutung:
Der Herr Haneke hat seinen Preis aus den Händen von Arnold Schwarzenegger empfangen!
„Und jetzt? Wo ist das Problem? Geht´s um die zum Teil ekelhaft brutalen, oft die Selbstjustiz preisenden Actionfilme dieses dämlichen Ex-Bodybuilders? Meine Güte…“ höre ich Euch Abgeklärte genervt stöhnen und seufzen.

Nicht nur, liebe Freunde. Leider. Es geht auch darum, dass der Herr Schwarzenegger bis vor kurzem noch Gouverneur von Kalifornien war, jenem US-Bundesstaat also, dessen prall gefüllte Knäste tatsächlich die meisten Todeskandidaten verwahren. Und darum, dass der Herr Schwarzenegger mindestens vier von denen nicht begnadigt hat, also selbst ein Mörder ist. Und es geht noch weiter. Der Herr Schwarzenegger ist sogar ein sehr begeisterter Mörder, denn als ein Bundesrichter 2006 einem zum Tode Verurteilten Recht gab, die Todesstrafe als eine besonders grausame Strafe für verfassungswidrig erklärte und damit für einen Hinrichtungsstopp in Kalifornien sorgte, verfasste der Gouverneur selbst einen Maßnahmenkatalog, dessen Umsetzung die baldige Wiederaufnahme des staatlichen Mordens gestatten sollte. (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/todesstrafe-schwarzenegger-will-effektiver-exekutieren-a-483154.html ) Ja, so ist er, der Terminator, der alte Gottschalk-Kumpel…

Und aus diesen Händen…

Und was sagt der glückliche Preisträger dazu? Nichts. Stattdessen irgendwas von „dass ich in Amerika mal von einem Österreicher einen Preis…“ Blablabla. Blablabla.

Und deshalb bist auch Du, Michael Haneke, für mich nicht mehr als ein ignorantes, selbstverliebtes Künstler-Arschloch. Allerdings habe ich schon früher nicht gerade viel von Dir gehalten.

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