Lebenslange Haft in Bayern - ohne Straftat, ohne Anklage

Freitag, 21. Juli 2017 um 23:43 - futziwolf

REISEWARNUNG: Fahren Sie nicht nach Bayern

Gefährder-Gesetz verschärft
Bayern führt die Unendlichkeitshaft ein

In einem anderen Land II
Ein Bericht von Monsignore Genickschuss
Yussuf war ein Gefährder. Er kannte nicht bloß jemanden, der jemanden kannte, der jemanden kannte, nein, er hatte sich auch vier Mal innerhalb einer Woche in der Nähe der Staatskanzlei blicken lassen. Der Verdacht, er kundschafte ein künftiges Anschlagsziel aus, hatte sich da geradezu mit Gewalt aufgedrängt. Tatsächlich hatte Yussuf  lediglich auf Melanie gewartet, eine frischgebackene Mitarbeitern dieser Behörde, die er noch aus Unitagen kannte und so heimlich wie heiß liebte oder begehrte, wer weiß das schon zu unterscheiden, aber der Kommissar hatte über diese Erklärung nur gelacht und gesagt: „Verliebte, Stalker, Terroristen, die Grenzen sind fließende, nicht wahr.“

Nach viereinhalb Jahren Haft ohne ordentliches Verfahren, ohne Beweise und ohne Schuld hatte Yussuf das Beten aufgegeben und war zum Christentum konvertiert. Er huldigte jetzt täglich dem Grundgesetz. Eine Ausgabe dieses bedeutenden Textes lag jede Nacht unter seinem Kopfkissen. Auch äußerlich hatte Yussuf sich um Resozialisation bemüht, der Bart war ab und ein Antrag auf Übernahme der Kosten für kosmetische Eingriffe zur Gesichtshautbleichung bereits eingereicht. Der Richter, der alle drei Monate dem Antrag auf Haftverlängerung stattgab, feixte schon: „Der sieht ja jetzt beinahe aus wie ein Mensch. Lange können wir den nicht mehr festhalten.“

Thorsten ging es da schlechter. Ebenfalls ein Gefährder, weil er an mehreren ungenehmigten antifaschistischen und antikapitalistischen  Demonstrationen teilgenommen und die Glastür einer Zeitarbeitsfirma beschädigt hatte, saß er seit 5 Jahren ein. Allerdings war im Stammbuch seiner Familie seine römisch-katholische Taufe bereits vermerkt, Bartwuchs hatte er kaum und weiß war er zur Welt gekommen. In seiner Verzweiflung hatte er sich die Memoiren Otto von Bismarcks, die Werke von Ayn Rand, eine Thatcher-Biographie und die Goebbels-Tagebücher aus der Gefängnisbibliothek besorgt und begonnen, die Texte auswendig zu lernen. Wenn er sie in seiner Zelle laut vor sich sprach, hoffte er, seine Wärter mögen ihn hören und ihm seine Wandlung zum vorbildlichen Bürger abkaufen. Die aber verstanden nichts von Politik. Der Haftrichter sagte nur: „So, so, er liest also immer noch. Warum macht er nicht mal was Vernünftiges? Sehr bedauerlich…“


Wer in Bayern unter Verdacht steht, ein Gefährder zu sein,
kann schon bald lange in Haft gehen - unendlich lange.

Gefährder können ab August in Bayern länger vorbeugend eingesperrt werden. Der Landtag in München stimmte mit den Stimmen der CSU für das Polizeiaufgabengesetz, das die Erhöhung der Präventivhaft von bisher 14 Tagen auf unbefristete Zeit vorsieht. Alle drei Monaten soll ein Richter darüber entscheiden müssen.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

In Bayern gibt es künftig eine Haft, die es nirgendwo sonst in Deutschland gibt. Sie heißt hier offiziell, wie in anderen Bundesländern auch, Gewahrsam; auch Vorbeugehaft wird sie genannt. In Wahrheit ist sie Unendlichkeitshaft, sie ist eine Haft ad infinitum:

In Bayern kann man künftig, ohne dass eine Straftat vorliegt, schon wegen "drohender Gefahr", unbefristet in Haft genommen werden. Da nimmt sich vergleichsweise das schludrige Prozedere, mit dem einst Gustl Mollath in der Psychiatrie festgehalten wurde, schon fast vorbildlich aus.

Bisher konnte die Vorbeugehaft in Bayern bis zu 14 Tage dauern, länger als anderswo. Künftig aber, nach der Reform des Polizeiaufgabengesetzes, können diese 14 Tage ewig dauern; es gibt keine Höchstfrist mehr; und die richterliche Kontrolle ist sehr unzureichend.

Das alles ist eigentlich unvorstellbar; bei diesem Gesetz "zur Überwachung gefährlicher Personen" denkt man an Guantanamo, Erdogan oder die Entrechtsstaatlichung in Polen. Die Haft ad infinitum wurde aber im Münchner Landtag beschlossen. Die CSU sollte sich schämen; die Opposition, deren Aufstand nicht einmal ein Sturm im Wasserglas war, auch. Dieses Gesetz ist eine Schande für einen Rechtsstaat.

Es führt im Übrigen auch die Fußfessel für Personen ein, von denen eine Gefahr ausgeht. Man sollte die Fessel, am besten auch für die Hände, den Abgeordneten anlegen, die für so ein Gesetz stimmen.


xxx

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