Free As In Freedom - Die Anarchie der Hacker
Donnerstag, 12. August 2010 um 17:11 - Toxo
Free As In Freedom - Die Anarchie der Hacker
Richard Stallmann und die freie Software Bewegung.
Vor kurzem stieß ich auf ein PDF von Christian Imhorst mit dem vielversprechenden Titel "Die Anarchie der Hacker", leider verzögerte sich die Lektüre, da mein Drucker sich eine Auszeit gönnte und ich lange Texte ungern und auch eher unaufmerksam am Bildschirm lese. Rechtzeitig zum 3 stündigen Fähraufenthalt auf der Anfahrt zum Punk Illegal Festival in Schweden hatte ich jedoch die 88 Seiten im oldschool Paperprint vorliegen. Der Text steht unter einer Creative Commons Lizenz (by-nc-sa), ihr könnt ihn euch hier besorgen. In gedruckter Form ist er auch im Tectum Verlag erhältlich.
Hacker, das klingt oft nach abgedunkelten Räumen, verschworen Cliquen, geheimen Operationen, alles riecht ein bisschen Illegal, alles wirkt klandestin. Hacker sind die Unangepassten, sie passen optisch nicht ins Bild der Durchschnittsgesellschaft, sie stehen ausserhalb, gehören nicht dazu und wollen es wohl teilweise auch nicht. Und, ganz entscheidend: Sie machen Dinge ganz anders als alle anderen sie machen würden.
Anarchisten, das klingt oft nach abgedunkelten Räumen, verschworen Cliquen, geheimen Operationen, alles riecht ein bisschen Illegal, alles wirkt klandestin. Anchrchisten sind die Unangepassten, sie passen optisch nicht ins Bild der Durchschnittssgesellschaft, sie stehen ausserhalb, gehören nicht dazu und wollen es wohl teilweise auch nicht. Und, ganz entscheidend: Sie machen Dinge ganz anders als alle anderen sie machen würden.
Soweit die Klischees.
Aber was macht Anarchisten und Hacker eigentlichen aus ? Und gibt es da einen Zusammenhang ? Christian Imhorst beleuchtet in seinem Text die Ursprünge der Hackerszene vor allen in der USA und zeigt auf, welche Zusammenhänge zu der Anarchobewegung bestehen. Bevor er das im Detail machen kann, erklärt er einleitend , was die Ursprungshacker nach ihrem Selbstverständnis ausmacht, die Neugier, den Dingen mit denen sie sich umgaben und arbeiteten auf den Grund zu gehen, der Trieb Technik und Systeme zu erforschen und zu hinterfragen. Und, was dem Autor sehr wichtig ist, die Geisteshaltung der Technikfreaks - die Hackerethik. Desweiteren erklärt er, wie sich die anarchistische Bewegung in den USA entwickelte, denn im Gegensatz zum Ansatz, der etwa in Europa längere Zeit verbreitet ist, existieren dort zwei unterschiedliche Strömungen der Anarchobwegung, auf der einen Seite die eher rechtslastigen Turbokapitalisten, die freie Märkte ohne Einmischung seitens der Regierung fordern um ihre Version von Freiheit zu verwirklichen und die linke, libertäre Bewegung, die den Kapitalismus ablehnt und für Freiheit ohne Staatseinfluss für Menschen, nicht für Märkte, kämpft.
Der Text ist in 6 Kapiteln gegliedert, wobei das erste Kapitel die obenerwähnten Hintergründe beleuchtet. Zuvor wird auch die Funktionsweise eines Computerprogramms erklärt, von einem einfachen HelloWorld Prorgamm im Quelltext zur komipilierten Binärcode-Version. Diese Unterscheidung zwischen Quelltext und "*.exe" ist wichtig für den weiteren Verlauf des Textes, in dem es im wesentlichen um den Umgang mit dem Quelltext, also der Funktionsweise im für Menschen lesbaren "Klartext", geht.
Das zweite Kapitel ist mit "Kalifornische Ideologie" überschrieben. Christian Imhorst beschreibt die Wurzeln der Hackerkultur, die sich im Umfeld der Hippiebewegung, der Universitäten, allen voran dem MIT, entwickelte. Er stellt den Homebrew Computer Club vor und beleuchtet die Motivation, Wissen müsse frei und teilenswert sein. Das Ende des Kapitels ("The Hacker Ethic had met the marketplace") zeigt aber schon deutlich den Bruch der Szene mit der Idee des kostenlosen Wissenstransfer. Das wird im zweiten Kapitel deutlich, das Kapitel "Software als Eigentum" dreht sich im Kern um Bill Gates größten Hack, Software in Schachteln zu verpacken und als Eigentum mit einem Marktwert zu deklarieren, ein Gedanke, der zuvor in der Hackercommunity abwegig bzw nicht vorhanden war. Bill Gates wird als gewiefter Geschäftsmann dargestellt, der von den Leistungen anderer Programmierer profitiert, in dem er Software aufkauft oder einfach klaut. Gates steht hier stellvertretend für den Trubokapitalisten der rechten Anarchoströmung, ob sich Bill Gates jedoch tatsächlich als Anarchist sieht, klärt der Text nicht.
Das längste Kapitel des Werkes trägt den Titel "Freie-Software-Bewegung". Hier dreht sich alles um Richard Stallmann, als Urheber des Gnu-Manifesto , der Geburtstunde des Kampfes um freie Software. Ausführlich wird der Charakter Stallmann beschrieben, als einem freiheitsliebenden Kämpfer, der klar als der libertären Anarchist in Erscheinung tritt. Es werden die GNU Tools und die GPL Lizenz vorgestellt. In diesem Kapitel schwingt viel Symphatie für Richard Stallmann mit, den Christian Imhorst als "letzten wahren Hacker" bezeichnet. Der Kern von Stallmanns Forderungen ist: Programme müssen frei sein und auch die Funktionsweise der Programme, der Quelltext muss für jeden Menschen zugänglich sein. Er fordert weiterhin, das ideale Software auch die Verraussetzung erfüllt , dass sie für die eigenen Bedürfnisse verändert ud angepasst werden kann. Da Richard Stallmann die Freiheit von Software durch die Entwicklung des kommerziellen Softwaremarktes bedroht sah, entwickelte er die GnuPublicLizenz, eine Lizenz, die garantiert, dass ein Stück Programmcode unter der GPL frei zugänglich und veränderbar bleibt genau so auch alle aus einem Ursprungsprogramm resultierenden Werke diese Freiheiten nicht verlieren.
Kapitel 5 geht auf GNU / Linux ein, dem wohl größten und am verbreitesten Projekt der GNU und freien Software Bewegung. Der Ursprung von Linux als Hobbyprojekt bis zur Debatte um den korrekten Namen (Linux vs Gnu/Linux) beschreibt der Autor ohne große Abschweifungen.
Im abschließenden Kapitel "open Source Initiave" stellt Christian Imhorst noch einige andere interessente Bewegungen um unkommerzielle oder freier Software vor. Er beschreibt die Unterschiede zwsichen "freie Software" im Sinne von Richard Stall und der "open source" Bewegung, wie sie mit Netscape ins Leben gerufen wurde.
Insgesamt bietet "Die Anarchie der Hacker" einen guten Überblick über die Entstehung und Entwicklung der freien Software Bewegung, es zeigt die verschiedenen Ansätze und Interpretationen des Gedenkens, warum Software frei sein sollte und wie diese Freiheit definiert ist. Als Dreh- und Angelpunkt tritt in dem Text Richard Stallmann in Erscheinung. Jede Geisteshaltung dazu, wie mit Software umzugehen sie misst der Autor an der Hackerethik, wie sie von Richard Stallmann konsequent verteidigt und vertreten wird.
Damit endet der Text auch. Und ich als Leser stehe etwas ratlos da. Die im Titel suggerierte Anarchie der Hacker taucht also nur in der Gründerzeit der Hackerbewegung auf ? Wie sieht heute aus ? Die Querverbindung zwischen Anarchie und Hackerkultur ist auch heute spürbar und beinflusst sich wechselseitig, zwar weißt Christian Imhorst zu Beginn auf die verschiedenen anarchistischen Strömungen innerhalb der USA hin, von denen die Ursprungshacker inspiriert waren, lässt jedoch aktuelle Anarchobewegungen außeracht und erklärt die Bewegung in Europa sogar für gestorben. Das ist schade, denn die Bewegungen sind immernoch aktiv, wenn auch nicht so stark wie vor einigen Jahrzehnten. Der Text erklärt zwar, dass die Hacker die anarchistische Forderungen des freien Zugang zu Information und Hierachiefreiheit übernommen haben, er zeigt aber lediglich wie die Hackerszene von anarchistischen Ideen gelernt hat, der Umkehrschluss, ob und was eine anarchistische Bewegung von den Hackern übernehmen könnte, fehlt. Die Frage nach dem "grundlegenden Ganzen", den Systemen in denen wir leben, wie Anarchisten sie stellen, findet keine Beachtung. Vielleicht ist das auch nicht möglich. Kann aus der freien Software Bewegung etwas gezogen werden, dass unsere Zusammenleben in Reallife grundsätzlich verändert ? Oder bezieht sich die "Revolution der Hacker" ausschließlich auf ein Phänomen, das zu vor nicht existierte, nämlich der Schaffung und freien Verfügung von Werkzeugen für alle: Software ?
Aber Moment ! - das ist auch nicht Christian Imhorsts Anliegen. Das Versprechen in seinem Text etwas über aktuelle Verknüpfungen zwischen Hacker- und Anarchokultur zuerfahren habe ich aus der Überschrift rausgelesen. Nein, der Text hält genau was er verspricht, er zeigt, wie eine anarchistische Geisteshaltung bei der Entstehung der Hackerbewegung half. Er zeigt, wie es möglich war, dass sich Menschen grundlegend auf anderen Weg mit Technik auseinandersetzen als es üblich war, er zeigt, wie radikal Wissen in Frage gestellt werden kann und muss, um neues Wissen zu generien und nachhaltig zu verteidigen. Er zeigt, wie Wissen und Freiheit zusammenhängen, und das der Kampf um Freiheit von Software und Wissen zum Kampf für eine freie Gesellschaft gehört. Er ist ein guter EInstieg für Leute, die wissen wollen wie sich Ideen zu freier Software entwickelten, für Leute die einen Einblick in die Gründungszeit der Hackerbwegung suchen und eine Antwort auf die Frage, wie sich die Software Bewegung, die die gleichen Wurzeln hatte in zwei so entgegengesetzte Richtungen entwickeln konnte.
Die Geschichte der Beziehung von Hackerethos und Anarchie endet nicht mit den letzten Zeilen des Textes, er zeigt nur den Anfang. Die Geschichte entwickelt sich weiter, in Deutschland beispielweise in den 80ern maßgeblich durch Wau Holland, jenem Anarchisten und Freigeist, der u.a. bei der Gründung des ChaosCompterClubs seines Finger im Spiel hatte und die Geisteshaltung mancher Hackergenerationen prägte, die Geschichte findet in den kleinen Autonomen Zentren und besetzten Häusern statt, in denen immer wieder Clubs und Veranstaltungen von Hacker und Hackerinnen stattfinden. Auf den Camps, Meetings und Kongressen, die aus Hackerkreisenorganisiert werden und von der anarchistischen Bewegung reichlich frequentiert werden. Die libertäre Bewegung lernt von den Hackerkultur. In der Spaßguerrilla/ Urban hacking/ Culture Jamming-Bewegung, die sich zur Aufgabe, das System "Stadt" zu hacken und für alle Menschen "auf zu machen". Anti-Globalisierungkampagnen legen die Webpräzens eines großen Konzerns lahm, Flüchtlingsinitiativen führen Onlinedemonstrationen durch, Antifagruppen hacken Naziseiten und nehmen rechtsradikale Shops vom Netz. Augmented Reality Systeme blenden Werbung aus. . .
Die Liste kann weitergeführt werden. Die Geschichte der Anarchie der Hacker wird weitergeschrieben werden.
Richard Stallmann und die freie Software Bewegung.
Vor kurzem stieß ich auf ein PDF von Christian Imhorst mit dem vielversprechenden Titel "Die Anarchie der Hacker", leider verzögerte sich die Lektüre, da mein Drucker sich eine Auszeit gönnte und ich lange Texte ungern und auch eher unaufmerksam am Bildschirm lese. Rechtzeitig zum 3 stündigen Fähraufenthalt auf der Anfahrt zum Punk Illegal Festival in Schweden hatte ich jedoch die 88 Seiten im oldschool Paperprint vorliegen. Der Text steht unter einer Creative Commons Lizenz (by-nc-sa), ihr könnt ihn euch hier besorgen. In gedruckter Form ist er auch im Tectum Verlag erhältlich.
Hacker, das klingt oft nach abgedunkelten Räumen, verschworen Cliquen, geheimen Operationen, alles riecht ein bisschen Illegal, alles wirkt klandestin. Hacker sind die Unangepassten, sie passen optisch nicht ins Bild der Durchschnittsgesellschaft, sie stehen ausserhalb, gehören nicht dazu und wollen es wohl teilweise auch nicht. Und, ganz entscheidend: Sie machen Dinge ganz anders als alle anderen sie machen würden.
Anarchisten, das klingt oft nach abgedunkelten Räumen, verschworen Cliquen, geheimen Operationen, alles riecht ein bisschen Illegal, alles wirkt klandestin. Anchrchisten sind die Unangepassten, sie passen optisch nicht ins Bild der Durchschnittssgesellschaft, sie stehen ausserhalb, gehören nicht dazu und wollen es wohl teilweise auch nicht. Und, ganz entscheidend: Sie machen Dinge ganz anders als alle anderen sie machen würden.
Soweit die Klischees.
Aber was macht Anarchisten und Hacker eigentlichen aus ? Und gibt es da einen Zusammenhang ? Christian Imhorst beleuchtet in seinem Text die Ursprünge der Hackerszene vor allen in der USA und zeigt auf, welche Zusammenhänge zu der Anarchobewegung bestehen. Bevor er das im Detail machen kann, erklärt er einleitend , was die Ursprungshacker nach ihrem Selbstverständnis ausmacht, die Neugier, den Dingen mit denen sie sich umgaben und arbeiteten auf den Grund zu gehen, der Trieb Technik und Systeme zu erforschen und zu hinterfragen. Und, was dem Autor sehr wichtig ist, die Geisteshaltung der Technikfreaks - die Hackerethik. Desweiteren erklärt er, wie sich die anarchistische Bewegung in den USA entwickelte, denn im Gegensatz zum Ansatz, der etwa in Europa längere Zeit verbreitet ist, existieren dort zwei unterschiedliche Strömungen der Anarchobwegung, auf der einen Seite die eher rechtslastigen Turbokapitalisten, die freie Märkte ohne Einmischung seitens der Regierung fordern um ihre Version von Freiheit zu verwirklichen und die linke, libertäre Bewegung, die den Kapitalismus ablehnt und für Freiheit ohne Staatseinfluss für Menschen, nicht für Märkte, kämpft.
Der Text ist in 6 Kapiteln gegliedert, wobei das erste Kapitel die obenerwähnten Hintergründe beleuchtet. Zuvor wird auch die Funktionsweise eines Computerprogramms erklärt, von einem einfachen HelloWorld Prorgamm im Quelltext zur komipilierten Binärcode-Version. Diese Unterscheidung zwischen Quelltext und "*.exe" ist wichtig für den weiteren Verlauf des Textes, in dem es im wesentlichen um den Umgang mit dem Quelltext, also der Funktionsweise im für Menschen lesbaren "Klartext", geht.
Das zweite Kapitel ist mit "Kalifornische Ideologie" überschrieben. Christian Imhorst beschreibt die Wurzeln der Hackerkultur, die sich im Umfeld der Hippiebewegung, der Universitäten, allen voran dem MIT, entwickelte. Er stellt den Homebrew Computer Club vor und beleuchtet die Motivation, Wissen müsse frei und teilenswert sein. Das Ende des Kapitels ("The Hacker Ethic had met the marketplace") zeigt aber schon deutlich den Bruch der Szene mit der Idee des kostenlosen Wissenstransfer. Das wird im zweiten Kapitel deutlich, das Kapitel "Software als Eigentum" dreht sich im Kern um Bill Gates größten Hack, Software in Schachteln zu verpacken und als Eigentum mit einem Marktwert zu deklarieren, ein Gedanke, der zuvor in der Hackercommunity abwegig bzw nicht vorhanden war. Bill Gates wird als gewiefter Geschäftsmann dargestellt, der von den Leistungen anderer Programmierer profitiert, in dem er Software aufkauft oder einfach klaut. Gates steht hier stellvertretend für den Trubokapitalisten der rechten Anarchoströmung, ob sich Bill Gates jedoch tatsächlich als Anarchist sieht, klärt der Text nicht.
Das längste Kapitel des Werkes trägt den Titel "Freie-Software-Bewegung". Hier dreht sich alles um Richard Stallmann, als Urheber des Gnu-Manifesto , der Geburtstunde des Kampfes um freie Software. Ausführlich wird der Charakter Stallmann beschrieben, als einem freiheitsliebenden Kämpfer, der klar als der libertären Anarchist in Erscheinung tritt. Es werden die GNU Tools und die GPL Lizenz vorgestellt. In diesem Kapitel schwingt viel Symphatie für Richard Stallmann mit, den Christian Imhorst als "letzten wahren Hacker" bezeichnet. Der Kern von Stallmanns Forderungen ist: Programme müssen frei sein und auch die Funktionsweise der Programme, der Quelltext muss für jeden Menschen zugänglich sein. Er fordert weiterhin, das ideale Software auch die Verraussetzung erfüllt , dass sie für die eigenen Bedürfnisse verändert ud angepasst werden kann. Da Richard Stallmann die Freiheit von Software durch die Entwicklung des kommerziellen Softwaremarktes bedroht sah, entwickelte er die GnuPublicLizenz, eine Lizenz, die garantiert, dass ein Stück Programmcode unter der GPL frei zugänglich und veränderbar bleibt genau so auch alle aus einem Ursprungsprogramm resultierenden Werke diese Freiheiten nicht verlieren.
Kapitel 5 geht auf GNU / Linux ein, dem wohl größten und am verbreitesten Projekt der GNU und freien Software Bewegung. Der Ursprung von Linux als Hobbyprojekt bis zur Debatte um den korrekten Namen (Linux vs Gnu/Linux) beschreibt der Autor ohne große Abschweifungen.
Im abschließenden Kapitel "open Source Initiave" stellt Christian Imhorst noch einige andere interessente Bewegungen um unkommerzielle oder freier Software vor. Er beschreibt die Unterschiede zwsichen "freie Software" im Sinne von Richard Stall und der "open source" Bewegung, wie sie mit Netscape ins Leben gerufen wurde.
Insgesamt bietet "Die Anarchie der Hacker" einen guten Überblick über die Entstehung und Entwicklung der freien Software Bewegung, es zeigt die verschiedenen Ansätze und Interpretationen des Gedenkens, warum Software frei sein sollte und wie diese Freiheit definiert ist. Als Dreh- und Angelpunkt tritt in dem Text Richard Stallmann in Erscheinung. Jede Geisteshaltung dazu, wie mit Software umzugehen sie misst der Autor an der Hackerethik, wie sie von Richard Stallmann konsequent verteidigt und vertreten wird.
Damit endet der Text auch. Und ich als Leser stehe etwas ratlos da. Die im Titel suggerierte Anarchie der Hacker taucht also nur in der Gründerzeit der Hackerbewegung auf ? Wie sieht heute aus ? Die Querverbindung zwischen Anarchie und Hackerkultur ist auch heute spürbar und beinflusst sich wechselseitig, zwar weißt Christian Imhorst zu Beginn auf die verschiedenen anarchistischen Strömungen innerhalb der USA hin, von denen die Ursprungshacker inspiriert waren, lässt jedoch aktuelle Anarchobewegungen außeracht und erklärt die Bewegung in Europa sogar für gestorben. Das ist schade, denn die Bewegungen sind immernoch aktiv, wenn auch nicht so stark wie vor einigen Jahrzehnten. Der Text erklärt zwar, dass die Hacker die anarchistische Forderungen des freien Zugang zu Information und Hierachiefreiheit übernommen haben, er zeigt aber lediglich wie die Hackerszene von anarchistischen Ideen gelernt hat, der Umkehrschluss, ob und was eine anarchistische Bewegung von den Hackern übernehmen könnte, fehlt. Die Frage nach dem "grundlegenden Ganzen", den Systemen in denen wir leben, wie Anarchisten sie stellen, findet keine Beachtung. Vielleicht ist das auch nicht möglich. Kann aus der freien Software Bewegung etwas gezogen werden, dass unsere Zusammenleben in Reallife grundsätzlich verändert ? Oder bezieht sich die "Revolution der Hacker" ausschließlich auf ein Phänomen, das zu vor nicht existierte, nämlich der Schaffung und freien Verfügung von Werkzeugen für alle: Software ?
Aber Moment ! - das ist auch nicht Christian Imhorsts Anliegen. Das Versprechen in seinem Text etwas über aktuelle Verknüpfungen zwischen Hacker- und Anarchokultur zuerfahren habe ich aus der Überschrift rausgelesen. Nein, der Text hält genau was er verspricht, er zeigt, wie eine anarchistische Geisteshaltung bei der Entstehung der Hackerbewegung half. Er zeigt, wie es möglich war, dass sich Menschen grundlegend auf anderen Weg mit Technik auseinandersetzen als es üblich war, er zeigt, wie radikal Wissen in Frage gestellt werden kann und muss, um neues Wissen zu generien und nachhaltig zu verteidigen. Er zeigt, wie Wissen und Freiheit zusammenhängen, und das der Kampf um Freiheit von Software und Wissen zum Kampf für eine freie Gesellschaft gehört. Er ist ein guter EInstieg für Leute, die wissen wollen wie sich Ideen zu freier Software entwickelten, für Leute die einen Einblick in die Gründungszeit der Hackerbwegung suchen und eine Antwort auf die Frage, wie sich die Software Bewegung, die die gleichen Wurzeln hatte in zwei so entgegengesetzte Richtungen entwickeln konnte.
Die Geschichte der Beziehung von Hackerethos und Anarchie endet nicht mit den letzten Zeilen des Textes, er zeigt nur den Anfang. Die Geschichte entwickelt sich weiter, in Deutschland beispielweise in den 80ern maßgeblich durch Wau Holland, jenem Anarchisten und Freigeist, der u.a. bei der Gründung des ChaosCompterClubs seines Finger im Spiel hatte und die Geisteshaltung mancher Hackergenerationen prägte, die Geschichte findet in den kleinen Autonomen Zentren und besetzten Häusern statt, in denen immer wieder Clubs und Veranstaltungen von Hacker und Hackerinnen stattfinden. Auf den Camps, Meetings und Kongressen, die aus Hackerkreisenorganisiert werden und von der anarchistischen Bewegung reichlich frequentiert werden. Die libertäre Bewegung lernt von den Hackerkultur. In der Spaßguerrilla/ Urban hacking/ Culture Jamming-Bewegung, die sich zur Aufgabe, das System "Stadt" zu hacken und für alle Menschen "auf zu machen". Anti-Globalisierungkampagnen legen die Webpräzens eines großen Konzerns lahm, Flüchtlingsinitiativen führen Onlinedemonstrationen durch, Antifagruppen hacken Naziseiten und nehmen rechtsradikale Shops vom Netz. Augmented Reality Systeme blenden Werbung aus. . .
Die Liste kann weitergeführt werden. Die Geschichte der Anarchie der Hacker wird weitergeschrieben werden.
Aufgenommen: Aug 12, 17:30
Aufgenommen: Aug 12, 19:00
Aufgenommen: Dez 12, 14:42